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Typische Frucht von C. frutescens
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Entsprechend der großen kulinarischen Bedeutung der Chilies (und, wie ich
anmerken muß, auch meiner Vorliebe für sie) hat dieses Dokument eine
erhebliche Überlänge. Daher gliedere ich den folgenden Diskussionsteil
in drei Abschnitte.
- Kochen mit Chilies
-
Der erste Teil erklärt meine z.T. etwas eigenartige Terminologie,
gibt eine generelle Einführung in des Kochen mit Chili
und vergleicht die Würzmethoden Asiens mit denen Amerikas.
- Chiliarten in Lateinamerika
-
Im zweiten beschreibe ich jene vier domestizierten Chiliarten,
die auch heute noch überwiegend auf Lateinamerika beschränkt
geblieben sind und erkläre ihren traditionellen Gebrauch. Die mexicanische
Küche, die überwiegend auf milden bis mittelscharfem
C. annuum, beruht, bleibt dabei
ausgeklammert. Dieser Abschnitt enthält viele Bilder spezieller
Chilisorten.
- Chilies in den Küchen Asiens und Europas
Der dritte Teil befaßt sich mit Verwendung von Chilies in Asien
und ist geographisch, nicht nach Sorten, gegliedert. Europa ist zwar ziemlich
ein weißer Fleck auf der Chili-Landkarte, aber europäische
Chilitraditionen sind berücksichtigt soweit existent.
[ Pflanzenteil | Familie |
Aroma | Inhaltsstoffe | Herkunft |
Etymologie | Diskussion | Bottom ]
[ Kochen mit Chilies |
Neue Welt |
Alte Welt ]
[ Capsicum pubescens |
Capsicum baccatum |
Capsicum chinense |
Capsicum frutescens ]
Kochen mit Chilies
Die Geschichte der Chilies beginnt vor vielen Jahrtausenden in Südamerika,
aber die Details sind in das Dunkel der Vergangenheit gehüllt. Die
ältesten Funde beziehen
sich auf das Andengebiet, und es mag wohl sein, daß bereits die
rätselhaften Bewohner von Tiahuanaco im Schatten des Sonnentores Chilies
verzehrt haben. Nach und nach entstand in Süd- und Mittelamerika eine
große Anzahl verschiedener Chilisorten; es gibt aber keinen Hinweis,
daß auch nur eine einzige davon vor Columbus den amerikanischen Kontinent
verlassen hätte.
Als die Chilies von Columbus in Europa eingeführt wurden,
stießen sie gar nicht auf besonderes Interesse, weil schwarzer Pfeffer, seit kurzem über den Seeweg
zugänglich, kulinarisch viel mehr versprach. Chilies wurden aber von den
Eingeborenen in portugiesischen und spanischen Provinzen Asiens begeistert
aufgenommen und verbreiteten sich innerhalb von ein paar Dekaden über
ganz Süd- und Südostasien, wobei sie ein fester und nicht mehr
wegzudenkender Bestandteil der Nahrung jedes einzelnen wurden. Ihre
Popularität erklärt sich daraus, daß andere scharfe
Gewürze viel schwerer zu züchten und daher wesentlich teurer waren;
Chilies aber wachsen fast ohne alle Pflege im feuchtheißen Klima
Thailands, in der glühenden Wüste Nordindiens und auch in den Kalt-
und Trockengebieten des Himalaya in Tibet. Für eine Zusammenfassung
über scharfe Gewürze siehe Mohrenpfeffer.
Neuerer botanischer Forschung zufolge gehören viele, wenn nicht die
meisten, der weltweit angebauten Chilies
tatsächlich zur Art Capsicum
annuum; die restlichen Arten werden bis heute ganz überwiegend
nur in Südamerika kultiviert.
Folgt man dieser botanischen Gegebenheit, so müßte man im
Artikel über Capsicum
annuum sowohl milde als auch scharfe Sorten besprechen und
die scharfen lateinamerikanischen Chilies in einem oder mehreren
Artikeln getrennt behandeln.
Kulinarisch ergibt es jedoch wenig Sinn, milde und scharfe
Sorten in einem gemeinsamen Artikel zu diskutieren, weil ihre Anwendung
ganz verschieden ist; weiters gibt es zumeist eine klare Unterscheidung
zwischen milden
oder leicht scharfen
auf der einen Seite und
mittelscharfen
oder sehr scharfen
Sorten auf der anderen Seite
(México ist da eine Ausnahme, weil es auch Typen mit intermediärer
Schärfe kennt; Ungarn ist eine andere). Deshalb reserviere ich den
Ausdruck Paprika für die milden Sorten, etwa bis zur
Schärfe eines mexicanischen jalapeños
(ca. 4000 Scoville-Einheiten),
auch wenn die entsprechende Sorte in anderer Literatur zumeist als
Chili bezeichnet wird. Diese Gruppe Paprika umfaßt
nur Kultivare von Capsicum
annuum.
Die Bezeichnung Chili ist dann den Früchten mit ernsthafter
Schärfe vorbehalten (über dem
jalapeño-Schärfegrad). Solche Früchte
können von jeder der fünf kultivierten Arten und auch von
jeder Wildart hervorgebracht werden; allerdings wird fast jeder Chili
außerhalb Amerikas zumeist ebenfalls von C. annuum
stammen. Die anderen Arten sind, wie ich weiter unten noch ausführlicher
darlegen werde, überwiegend
auf Lateinamerika beschränkt; sie produzieren kaum jemals Sorten
mit unter 20000 Scoville-Einheiten.
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Nur für ernsthafte Chilifreunde: Chilischokolade
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Chilies kann man frisch oder getrocknet, reif oder unreif, gekocht oder roh
verwenden; in jedem Fall (so glaube ich felsenfest) neigen sie dazu, alles zu
verbessern. Menschen, die mir dabei nicht beistimmen, leiden einfach unter
einem Mangel an Erfahrung und Training. Es wird immer wieder behauptet,
daß die stechende Schärfe der Chilies alle Feinheiten im Geschmack
verberge und andere Geschmacksnoten unterdrücke. Ich bezweifle nicht,
daß Novizen wirklich so empfinden, aber das Argument zielt eigentlich
nicht gegen Chiliverwendung, sondern gegen untrainierte Geschmacksknospen. Nach
einiger Erfahrung mit würzigem Essen entwickeln die meisten Personen die
Fähigkeit, Aromen auch hinter der Chilischärfe wahrzunehmen, und ich
meine tatsächlich, daß Chilies den Geschmack anderer Zutaten
betonen und erweitern.
Für den Anfänger hingegen ist das grausame Brennen in (zumindest) der
ganzen Mundhöhle sehr entmutigend, und daher probieren viele Leute nie
genug Chilies, um die Anfangsprobleme zu überwinden. Nun, was kann man
Novizen empfehlen, die zuviel erwischt haben und die nun verzweifelt ein Mittel
gegen den feurigen Schmerz in ihrem Mund suchen, die nun meinen, Chili sei
eher mit brennendem Petroleum als mit einem Nahrungsmittel zu vergleichen?
Getränke (besonders wenn sie heiß, sauer oder
kohlensäurehaltig sind) sollte man vermeiden (deshalb trinke ich
gerne heißen Tee zu würzigem Essen: Es regt die Geschmacksknospen
noch mehr an). Mitunter wird Brot empfohlen, aber meine Erfahrungen (besser
gesagt, die Erfahrungen meiner Gäste) sind am besten mit Milchprodukten,
etwa Joghurt oder Sauerrahm.
Chili ist nicht gleich Chili! Es macht einen großen Unterschied,
ob man sie grün oder rot, frisch oder getrocknet, oder gebraten
oder gekocht verwendet. Frische Chilies schmecken stärker
kratzend–beißend, besonders die grünen, während getrocknete
Chilies eher gewürzhaft und harmonisch–scharf sind. Bei längerem
Kochen verwischen sich diese Unterschiede, aber bei rohen Speisen sind sie
essentiell. Manche Kochtechniken, wie etwa die chinesische Methode, die
Schoten in heißem Öl zu bräunen, lassen sich nur mit
getrockneten Chilies realisieren. Wegen des lipophilen Charakters der
Chili-Scharfstoffe nimmt Fett die Chili-Schärfe sehr gut auf; fettfreie
chilischarfe Speisen schmecken dagegen oft unausgewogen (was man gelegentlich
mit süßen und sauren Geschmacksnoten korrigieren kann).
Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen den Kochstilen Mittel- und
Südamerikas und denen im Rest der Welt liegt darin, daß in
Lateinamerika jede Region ein eigenes Repertoire an
vielen lokalen traditionellen Chilisorten hat, die sich im Geschmack deutlich
voneinander unterscheiden und von denen jede für ganz bestimmte Speisen
verwendet wird: Die Chilies werden zugleich für Schärfe
und Geschmack gebraucht. Darin spiegelt sich wider, daß
einerseits außer verschiedenen Kräutern nur wenige andere
geschmacksgebende Gewürze zur Verfügung stehen
(Piment, seit der
conquista auch Koriander,
Kreuzkümmel und Pfeffer), daß aber andererseits eine große
genetische und daher auch geschmackliche Vielfalt an Chilisorten existiert, die
z.T. durch verschiedene Verarbeitungstechniken (siehe
Paprika) noch vermehrt wird.
In den amerikanischen Küchen ist es auch üblich, die samentragenden
Scheidewände (Adern
) der Chilies vor dem Kochen zu entfernen und damit
die Schärfe herabzusetzen. Diese Vorgangsweise ist sinnvoll, da sie dem
Koch ermöglicht, mehr Chiligeschmack einzubringen, ohne daß die
Speise unerträglich scharf würde. In den meisten Ländern
Lateinamerikas kocht man würzig, aber nicht bzw. nicht
ausschließlich feurig.
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Kashmirische Chilies
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Geschmacksunterschiede zwischen verschiedenen Chilikultivaren sind in Asien dagegen wesentlich weniger ausgeprägt;.
Man verwendet Chilies zumeist nur um ihrer Schärfe willen und erreicht subtile
Geschmacksnoten durch den Einsatz einer großen Anzahl zusätzlicher
Gewürze, die in der Alten Welt, nicht zuletzt durch jahrtausendelangen
überregionalen Handel, leicht zur Verfügung stehen. Dagegen ist
es eher unüblich, die Scheidewände zu entfernen: Wenn man weniger
Schärfe will, nimmt man einfach weniger Chili; das Verfahren wird jedoch
gelegentlich angewendet, um ein besseres Verhältnis von
Färbekraft zu Schärfe zu erreichen. Obwohl die Chilizucht in Asien
viele verschiedene Sorten hervorbrachte, gibt es für die wenigsten
Kultivare spezielle Bezeichnungen. Unterscheidung zwischen verschiedenen
Chilisorten erfolgt
höchstens nach Größe und/oder Schärfe, aber unter
Einhaltung gewisser Umrechnungsfaktoren
kann fast jeder Chili durch jeden
anderen ersetzt werden, solange man Attribute wie reif
oder getrocknet
beibehält.
In West- und Zentralasien bis Nordindien und
Zentralchina findet man gelegentlich Chili-Sorten mit charakteristischem
Eigengeschmack, die dann aber für eine bestimmte Region und nicht für
eine bestimmte Speise spezifisch sind; aber
im tropischen Süd- und Südostasien schmecken Chilies ganz
überwiegend nur eindimensional scharf. Konsequenterweise schreiben
die Rezepte meist keine spezielle Chilisorte, sondern nur z. B. frische rote
Chilies
vor, und man kann verwenden, was auch immer gerade zur Hand ist.
Es ist absolut kein Stilbruch, thailändische Chilies für indonesische
oder tamilische Speisen zu gebrauchen, während ein mexicanischer
mole Poblano, der mit bolivianischem
ají amarillo zubereitet ist, wahrscheinlich
Mexicaner und Bolivianer gleichermaßen vor Schreck erblassen
ließe.
[ Pflanzenteil | Familie |
Aroma | Inhaltsstoffe | Herkunft |
Etymologie | Diskussion | Bottom ]
[ Kochen mit Chilies |
Neue Welt |
Alte Welt ]
[ Capsicum pubescens |
Capsicum baccatum |
Capsicum chinense |
Capsicum frutescens ]
Chiliarten und Chiliverwendung in Lateinamerika
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Ulupicablüte
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Getrocknete halbreife ulupicas
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Reife ulupica-Frucht
(Capsicum cardenasii), Wildform aus Bolivien/Perú
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Die Gattung Capsicum umfaßt ca. zwanzig wilde und
fünf kultivierte Arten, die alle in Südamerika heimisch sind.
Die wilden Arten bilden kleine Früchte, die üblicherweise aufrecht
auf der Pflanze stehen und sich bei der Reife leicht ablösen lassen.
Die Wildsorten
weisen alle eine brennende, tabasco-ähnliche Schärfe auf.
Von den wilden Sorten werden einige regional kulinarisch genutzt,
etwa C. praetermissum in Brasilien und C.
cardenasii in Bolivien. Neben der Wildsammlung gibt es auch eine gewisse
Hinterhof-Kultivierung
, die man als erste Stufe im Prozeß der
Domestikation auffassen kann. Bei C. praetermissum ist bereits
zu erkennen, wie sich die Fruchtgröße als Resultat
menschlicher Selektion verändert.
Die in Bolivien
als ulupica bezeichnete Art C.
cardenasii Heiser & P. G. Sm. bildet runde Früchte von weniger als 1 cm Durchmesser.
Als Ausnahme von der Regel entwickeln sich die Früchte in hängender
oder halbhängender Position auf der Pflanze. Die
ulupica-Früchte
färben sich bei der Reife leuchtend rot, aber sie werden meist
bereits früher geerntet.
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Reife ulupica-Frucht
(Capsicum cardenasii), Wildform aus Bolivien/Perú
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Frische, grüne ulupicas dienen in der andinen
Küche Boliviens vielfach als Tischwürze, mit der die Esser Suppen
und Eintöpfe nach Geschmack verschärfen. Die Schärfe ist
sehr hoch, entwickelt sich blitzartig im Mund, klingt aber auch rasch
wieder ab (ähnlich wie beim Tabasco); dazu
hat diese Chilisorte jedoch noch einen einzigartigen fruchtigen Eigengeschmack,
der entfernt an unreife Tomaten oder grüne Tomatenblätter erinnert
und auch Ähnlichkeit mit dem Aroma des rocoto
(C. pubescens)
aufweist.
Von den fünf kultivierten Arten ist Capsicum annuum weltweit mit Abstand am bedeutendsten, und
ist in Nordamerika und Europa fast die einzige kultivierte Art.
Diese Art liefert sowohl scharfe als auch milde Früchte; ihre botanischen
Charakteristika und die Verwendung von milden und mittelscharfen Chilies
werden auf einer eigenen Seite behandelt. Auf
dieser Seite bespreche ich
im weiteren die verbleibenden vier Arten, die auch heute noch vorwiegend in
Lateinamerika angebaut werden und deren Früchte praktisch immer
sehr scharf schmecken. Im Anschluß daran komme ich auf die globale
Verwendung von scharfen Chilies zu sprechen.
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Blühender Rocoto (C. pubescens)
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Die kälteresistente Gebirgsart Capsicum pubescens hat
eine sehr eingeschränkte geographische Verbreitung; außerdem gibt
es nur wenige verschiedene Kultivare. Dieser Chili war die verbreitetste Sorte
im Reich der Inkas, wo er als rocot uchu breiter Chili
bekannt war; zusammen mit dem kellu uchu
(C. baccatum) und dem
feurigen chinchi uchu
(C. chinense) dominierte
er die Inka-Küche, in der andere Gewürze kaum eine
Rolle spielten.
Heute ist Capsicum pubescens in Perú
als rocoto, in Bolivien als
locoto und in México als
chile manzano (Apfelchili
) bekannt; eine gelbe Sorte
heißt auch chile canario.
Diese Art wurde zuerst im Hochland Perú und Boliviens kultiviert,
und sie hat dieses Gebiet bis heute kaum verlassen. Allerdings
wurde sie in die tropischen Gebirge von México und Honduras
eingeführt und wird seit kurzem auch auf
Jawa/Indonesien versuchsweise angebaut (cabe gondol,
cabe bendot, cabe Dieng).
Außerhalb dieser
Gebiete wird diese exotische Chili-Art nur von Liebhabern gezogen.
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Locoto-Früchte
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Samen vom rocoto (rechts oben Paprika zum Vergleich)
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Alle Sorten von C. pubescens kann man leicht
an haarigen Blättern, purpurfarbenen
Blüten und relativ großen, apfel-, birnen- oder eiförmigen
Früchten mit dunklen, fast schwarzen Samen erkennen. Violette
Blüten kommen sonst bei kultivierten Chilies sehr selten vor
und sind auf einige dunkelblättrige Ziersorten von
C. annuum beschränkt.
Mit den schwarzen Samen besitzt C. pubescens ein unter allen
wilden und kultivierten Chilies einzigartiges Merkmal.
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Samen vom rocoto (rechts oben Paprika zum Vergleich)
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Locoto-Früchte
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Frische rocoto-Früchte
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Botanisch ist C. pubescens von den anderen Chilies
weit getrennt; die geringe Verbreitung, verhältnismäßige
Einheitlichkeit der Kultivare und das Fehlen einer Wildform geben den
Botanikern Rätsel auf, ganz zu schweigen von den schwarzen Samen.
In neuerer Zeit wurden engere Verbindungen zu einigen in Bolivien wild
vorkommenden Chili-Arten (C. eximium und
C. cardenasii) nachgewiesen. Bemerkenswerterweise gibt
es zwischen C. cardenasii (ulupica)
und dem rocoto sogar fertile Hybride.
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Frische rocoto-Früchte
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Kulinarisch ist der
rocoto durch dickfleischige, zum Trocknen ungeeignete
Früchte mit eigenartigem Geschmack und stark variierender Schärfe
gekennzeichnet. Wahrscheinlich ist er der schärfste Chili, der groß
genug ist, um mit Fleisch oder Käse gefüllt zu werden (z. B.
rocotos bellenos aus den peruanischen Anden);
durch Entfernen von Samen und Scheidewänden kann man die Schärfe
gut steuern.
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Rocotoblüte
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Es gibt in der Literatur erhebliche Uneinigkeit über die Schärfe
des rocoto. Wahrscheinlich bestehen zusätzlich zu den
üblichen boden- und klimabedingten Schwankungen auch noch individuelle
Unterschiede: Das ungewöhnliche Capsaicinoid-Spektrum des
rocoto wird von manchen Menschen als extrem scharf
wahrgenommen, während andere weniger empfindlich sind und diesem
Chili nur eine durchschnittliche Schärfe zugestehen. In Südamerika
trägt der rocoto eine Reihe von wohl nicht ganz erst
gemeinten Namen wie levanta muertos
(die Toten erweckend
) oder gringo huanuchi
(Gringo-Killer
).
Während beim rocoto keine Wildform bekannt ist, kennt man
kennt man zu allen anderen kultivierten Arten nahestehende Wildformen
mit kleinen Früchten in aufrechter Stellung, die sich bei Reife
leicht vom Stamm lösen; man bezeichnet diese oft als bird
pepper, also Vogelpfeffer, da die reifen Früchte gerne von Vögeln gefressen werden. Diese Wildformen sind in manchen Fällen
vielleicht die Vorläufer der domestizierten Formen; allerdings scheint
es in einigen Fällen wahrscheinlicher, daß die bird
peppers zwar eng verwandt, aber nicht identisch mit jenen Populationen
waren, aus denen die domestizierten Sorten hervorgingen.
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Die Wildform bird ají mit unreifen Früchten
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Eine nicht genau bestimmte europäische
Kultursorte von C. baccatum.
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Von der Art Capsicum
baccatum kennt man zwei Wildformen (var. baccatum
und var. microcarpum) und die domestizierte Form var. pendulum. Die ersten beiden werden auch
als bird ají bezeichnet und wachsen im Westen
Südamerikas oft wild; sie produzieren erbsengroße Früchte mit
großer Schärfe. Obwohl gelegentlich Früchte aus Wildsammlung
in den Handel gelangen, haben die bird ajíes keine
überregionale kulinarische Bedeutung.
In Südamerika zieht man zahlreiche Sorten von Capsicum baccatum var. pendulum,
die in südamerikanischem Spanisch oft kollektiv
als ají (Plural ajíes) bezeichnet werden. Westlich der Anden,
vor allem in den Küstengebieten Perús, sind die
ajíes die dominierenden Chilisorten, aber sie werden
auch in Brasilien, Paraguay und Argentinien angebaut und verwendet.
Die ganze Art ist sehr variabel, und es gibt zahllose Kulturformen in
unterschiedlichen Formen, Farben
und Größen. Ein allen Sorten gemeinsames Kennzeichen sind
gelbliche oder grünliche Punkte auf den Blütenblättern, wie
man sie sonst bei keiner kultivierten Art findet.
Die bekannteste Sorte ist der goldgelbe ají amarillo
(auf Quechua kellu-uchu), der getrocknet nach der alten
Inkametropole Cuzco als cuzqueño bezeichnet wird.
Man kennt auch eine rote Form, die ají colorado
heißt. Diese beiden ajíes sind die in der
peruanischen und bolivianischen Küche am meisten verwendeten Chilies.
Man würzt mit ihnen z. B. eine einzigartige andine Spezialität,
gebratenes Meerschweinchen (cuy).
Obwohl die baccatum-Kultivare außerhalb Südamerikas
nur wenig angebaut wird, gibt es doch eine Sorte, die man verstreut in vielen
Ländern der Alten Welt findet: Sie hat charakteristisch glockenförmige
dreilappige (gelegentlich vierlappige) Früchte mit in reifem Zustand roter
Farbe. In Portugal und ehemaligen portugiesischen Kolonien in Ostafrika kennt
man diesen Chili als peri peri, anderswo heißt er oft nur
Glockenchili oder Bischofsmütze.
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Reife bird ajíes
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Peruanischer ají colorado
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C. baccatum wird offenbar seit sehr langer Zeit
kultiviert; der älteste archäologische Fund ist 4500 Jahre alt.
Entsprechend
existieren sehr viele verschiedene Kultivare, deren Früchte fast
alle erdenklichen Formen annehmen können: Am häufigsten trifft
man auf kugelförmige, lampionförmige oder breit
fingerförmige Ajíes. Die Schärfe
schwankt zwischen mittelscharf und scharf (50000 Scoville), wird aber
selten extrem. Außerdem haben die baccatum-Arten
ein gutes Aroma, das sich beim Trocknen oft verstärkt und dann
vage an getrocknetes Obst erinnert.
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Pflanze mit reifen ajíes amarillos (Perú)
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Inka-Chili
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Der peruanische ají amarillo Chili (frisch)
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Tobago Bird Chile, eine karibische chinense-Wildform
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Zentralafrikanische Fatalii-Chilies
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Red Dominica Chili
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Tobago Bird Chile, eine karibische chinense-Wildform
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Die vielgerühmte Art Capsicum chinense (seltener
findet man die falsche Bezeichnung Capsicum sinense) ist
für besonders scharfe, aber auch besonders aromatische Früchte
bekannt; Wildformen findet man in Südamerika und besonders in der
Karibik, wo sie allerdings eher als verwildert gelten müssen.
Diese Art wird besonders mit der karibischen Inselwelt assoziiert, wo auch
die meisten unterschiedlichen Sorten wachsen: Habanero
in Yucatán und Cuba, Scotch Bonnet auf Jamaica,
Rocotillo auf den Cayman Islands,
Congo auf Trinidad und Bonda Man Jaques
(Madame Jeanette
) in Martinique.
Viele Sorten sind nach ihrer Herkunft benannt, etwa Red
Dominica, Jamaican Hot oder Trinidad
Seasoning Pepper. Es gibt auch Kultivare von den angrenzenden
Gebieten Nord- und Südamerikas, z. B. den Datil
aus Florida und den Adjuma aus Surinam (er wächst
auch auf den Niederländischen Antillen).
Die Domestikation von C. chinense scheint
ursprünglich in Perú erfolgt zu sein.
Allerdings spielt die Art heute in den Andenländern keine große
Rolle mehr, da dort mittlerweile die Arten
C. baccatum
und C. pubescens
dominieren. Man findet jedoch auch heute noch eine Vielzahl von
kleinräumig angebauten chinense-Kultivaren in den
peruanischen Tropen, von denen der rote und sehr scharfe
chinchi-uchu am bekanntesten ist; einige gelbgefärbte
Sorten heißen ají limo. Bemerkenswert ist
der ají panca, der zwar das typische chinense-Aroma aufweist, aber nur wenig Schärfe zeigt.
Eine sehr ungewöhnliche Fruchtform findet man bei einer als
Scarlet Lantern bezeichneten Sorte, deren spitz
kreiselförmige Früchte sich bei der Reife von einer dunklen
Auberginenfarbe auf ein leuchtendes Orange umfärben.
Einige chinense-Kultivare
gelangten mit repatriierten Sklaven von der Karibik nach Afrika (Fatalii
in der zentralafrikanischen Republik, Gambia, Safi in Westafrika,
Ose Utoro in Nigeria). Diese Sorten sind durchgehend sehr scharf;
besonders der Fatalii macht seinem Namen alle Ehre und besticht durch
höllische Schärfe und ein ausgesucht edles Aroma. Diese Chilies
spielen in den oft sehr scharfen Küchen des zentralen und westlichen
Äquatorialafrikas eine große Rolle.
C. chinense ist besonders an das tropische Klima
angepaßt und wird daher in Europa nirgendwo kommerziell angebaut;
allerdings erzielen Chili-Liebhaber auch in Europa durchaus gute
Kulturerfolge. Der Anbau von Chilies ist in den letzten Jahren in den USA zu
einer beliebten Freizeitbeschäftigung geworden, und dieser Trend hat
mittlerweile den Atlantischen Ozean überschritten. Von allen Chilies
sind die chinense-Sorten für den Heimgärtner wohl
am lohnendsten, einerseits wegen ihres ausgezeichneten Geschmackes und der
Schärfe, und andererseits wegen ihrer vielen unterschiedlichen Formen und
Farben. Als tropische Pflanzen schätzen sie heiß–feuchtes Klima,
aber sie kommen auch mit einer trockeneren Umgebung erstaunlich gut zurecht.
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Der sehr scharfe tamilische ney milagai [நெய் மிலகாய்]
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Der feurige srilankanische nai-miris [නයිමිරිස්]
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Der superscharfe assamesische naga jolokia [নাগা জলকীয়া]
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Der superscharfe manipurische umorok [উমোরোক, ꯎꯃꯣꯔꯣꯛ] kann orangerote oder braune Früchte tragen
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Der scharfe akabare khorsani [अकबरे खोर्सानी] aus Nepal
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Der sehr scharfe tamilische ney milagai [நெய் மிலகாய்]
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Der feurige srilankanische nai-miris [නයිමිරිස්]
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Bis zur Jahrtausendwende schwieg sich die Chili-Literatur über chinense-Kultivare
in Asien weitgehend aus; lediglich von den Philippinen waren einige wenige Sorten bekannt, wohin sie wahrscheinlich
von den Spaniern aus ihren mittelamerikanischen Kolonien gebracht wurden.
Bis zum Jahr 2000 kannte ich keinen einzigen chinense-Kultivar in Thailand, Indonesien oder Indien, obwohl
das Klima zweifellos geeignet wäre und die Früchte den Einheimischen
wahrscheinlich gut schmecken würden. Der für die Balti-Küche
typische dundicut aus Nordpakistan wird in manchen
Listen als chinense-Sorte geführt, gehört
aber in Wirklichkeit zu C. annuum.
Aber die kürzliche Identifikation des superscharfen naga jolokia
aus Assam hat dieses Bild nachhaltig verändert. So war ich gar nicht besonders
überrascht, als ich im Nilgiri-Gebiet (Südindien) eine lokale rotfrüchtige
chinense-Schote auf einem Markt fand. Der lokale Name ist
ney milagai [நெய் மிலகாய்], was offenbar soviel wie Ölchili
bedeutet.
Auch im Hochland von Sri Lanka konnte ich einen lokalen chinense-Kultivar finden: Diese ziemlich in die Länge
gezogegene und dabei manchmal stark verdrillten und verknautschten Schoten heißen
nayi-miris [නයිමිරිස්] Schlangenchili
;
das könnte eine Anspielung auf die faltigen Früchte sein, die an eine verknäuelte Schlange erinnern, oder das Schlangengift steht
einfach metonymisch für Schärfe
.
Es gibt auch eine Variante mit glatteren, chinense-typisch
geformten Schoten, die allerdings mit 8 cm überdurchschnittlich groß werden. Die sehr ähnlichen Namen der beiden
Chili-Sorten in diesem Absatz lassen den Verdacht an eine gemeinsame Herkunft (und an Volksetymologie in den Namen) aufkommen.
Bei diesen beiden handelte es sich eindeutig um lokale Spezialitäten mit geringer Verbreitung, aber in Nepal wird eine als
akabare khorsani [अकबरे खोर्सानी]
(in Kathmandu auch dalle khorsani [दल्ले खोर्सानी])
bezeichnete Sorte auf Märkten im ganzen Land gehandelt. Diese Früchte sind orange bis rot, ziemlich glatt und ohne Spitze, was sie einem kleinen
Gemüsepaprika ähnlich aussehen läßt. Sie werden wegen ihres Aromas und ihrer Schärfe geschätzt,
aber nicht zu speziellen Rezepten verwendet; stattdessen verwendet man sie frisch oder legt sie in Salzlake ein.
Der absolute Star unter den asiatischen chinense-Chilies ist jedoch der als naga jolokia bekannte und zuerst aus Nordostindien gemeldete Vertreter;
inzwischen ist bekannt, daß sich das Anbaugebiet dieser Sorte auch nach Bangladesh und Burma erstreckt. Für diesen Chili existieren
viele Namen in den verschiedenen Sprachen dieser Region, aber es ist nicht ganz klar, ob man diesen Namen verschiedene Sorten
zuordnen kann, da die Schoten über das ganze Gebiet ziemlich gleichförmig aussehen. Die Ausnahme dazu ist ein Subtyp mit
braunen Schoten, den ich nur in Manipur sah; allerdings werden die braunen Früchte selbst von den Manipuri nicht als eigenständige Sorte
wahrgenommen.
Es sollte keine besondere
Überraschung sein, wenn weitere chinense-Kultivare in Süd- oder Südostasien
auftauchen. Während diese Sorten in Lateinamerika für bestimmte Rezepte verwendet werden,
machen asiatische Köche aber im allgemeinen nur generischen Gebrauch von Chilies, da ihnen viele
andere Gewürze zum Variieren des Geschmacks zur Verfügung stehen. Daher stehen die asiatischen
Chilies viel weniger im geschmacklichen Vordergrund, und prägen keiner Küche einen besonderen
Charakter auf (am ehesten könnte man so etwas von der Meitei-Küche in Manipur behaupten).
Eine genauere Diskussion der Verwendung von Chilies in Indien findet sich weiter unten,
darunter auch eine separate Beschreibung der indischen chinense-Chilies.
Viele Kultivare von C. chinense sind schärfer als die
schärfsten Sorten anderer Arten — die Ehre des Weltrekordhalters
verschob sich vom habanero (300000) zum red savina (650000)
und schließlich im 21. Jahrhundert zum naga jolokia (1000000).
Aktuell darf sich wieder ein karibischer Chili, der Trinidad Moruga Scorpion, mit
dem begehrten Titel schmücken: Anfang 2012 wurden sagenhafte 2 Megascoville gemessen.
Nicht-chinense-Arten schnitten bei den bisherigen Tests so gut wie
nie besser als 150000 Scoville ab, und die höheren Scoville-Ratings sind dabei durchaus zweifelhaft.
Typische Werte für chinense liegen um 300000 Scoville, aber
man kennt auch mildere Sorten, z. B. den ají panca oder
den rocotillo.
| Habanero-Pflanze (C. chinense) mit reifen Früchten
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Caribbean Red mit reifenden Früchten
© Kristian Podrepsek
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Reifender Habanero
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Scotch Bonnet mit reifen Früchten
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Reife Scotch Bonnets
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Eine Habanero-Ziersorte namens Chocolate Brown
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Blüten und unreife Früchte des nigerianischen ose utoro.
Man beachte die zahlreichen Blüten pro Knoten.
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Reife Früchte des nigerianischen Ose Utoro
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Unbekannte chinense-Art (vielleicht Congo pepper)
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Mushroom red, eine Ziersorte
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Viele der in letzterer Zeit als Ziersorten
in Mode gekommenen chinense-Kultivare wurden noch nicht auf
ihre
Schärfe getestet, z. B. Neon Yellow, White
Habanero, Chocolate oder die pilzförmigen
Mushroom-Typen. Da bei der Zucht dieser Sorten eher auf
das Aussehen Wert gelegt wurde, weisen sie vielfach ein ziemlich
unbefriedigendes Aroma auf.
Doch dazu gibt es eine Ausnahme: Die schokoladebraunen
Chocolate-Typen, die von den karibischen Inseln stammen.
Einige von ihnen (Chocolate Brown, Bahama
Chocolate) schneiden sowohl bei Schärfe als auch Aroma weit
überdurchschnittlich ab.
In jüngster Zeit wurden einige Chocolates
auch per HPLC untersucht, und man fand
beeindruckende Scoville ratings von 400000 bis 500000 SHU.
Damit gehören sie zu den schärfsten je getesteten Chilies.
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Adjuma (fälschlich ají umba) aus Surinam
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Unreife Scarlet Lantern-Früchte
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Adjuma (fälschlich ají umba) aus Surinam
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Ein anderer Chili, der trotz seines dekorativen Aussehens kulinarisch sehr
brauchbar ist, ist der peruanische Scarlet Lantern, den
ich zwar nicht besonders scharf, aber dafür sehr aromatisch fand.
Eine Neuzüchtung, die nicht das
Auge sondern nur den Gaumen erfreuen soll, ist der Habanero
Francisca, dessen Schärfe die Züchter mit einer Gasflamme
vergleichen (blisteringly hot
).
Auch C. chinense wird schon seit langem kultiviert (ein
Fund in Perú ist 6500 Jahre alt!); daher kennt man unzählige
Züchtungen mit verschiedenen Fruchtfarben (orange, rot,
braun) und -formen (ungefähr isometrische Laternenformen sind am
häufigsten, aber es gibt auch längliche oder spitze Sorten).
Die Blüten sind klein, grünlich oder weiß mit blauen oder
violetten Staubgefäßen. Eine einzige Stengelverzweigungsstelle
trägt häufig mehrere Blüten oder Früchte, während
bei anderen Capsicum Arten einzelne Blüten die
Regel sind (außer bei C. frutescens, das sich
ohnehin kaum morphologisch abtrennen läßt). Ein relativ sicheres
Kennzeichen ist eine ringförmige Einschnürung des Kelches nahe der
Basis, die sich bei C. chinense fast immer recht deutlich,
bei C. annuum und
C. frutescens jedoch
nur selten und dann undeutlich findet.
Während die karibischen Kultivare, vor
allem aber der yucatekische habanero, in den Vereinigten
Staaten leicht erhältlich sind, bekommt man sie in Europa seltener
angeboten; allerdings hat sich die Situation in den letzten Jahren verbessert,
und man kann heute vor allem Scotch-Bonnet-artige Chilies in
allen europäischen Großstädten frisch kaufen, entweder in
großen Feinkostgeschäften oder bei afrikanischen oder asiatischen
Lebensmittelhändlern. Unabhängig von der genauen Sorte schmecken
sie alle nicht nur unglaublich scharf,
sondern weisen auch noch einen feinen, blütenartigen Duft auf, der das
Verzehren aller C. chinense-Arten zu einem besonderen Erlebnis
werden läßt.
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Gambia (Westafrika)
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Frische Habaneros
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Ein besonderer Markt für chinense-Sorten sind scharfe
Saucen; dabei punkten sie sowohl mit der hohen Schärfe als auch wegen des
typischen Aromas. Viele Chilifreunde ziehen chinense-Saucen
den Konkurrenzprodukten bei weitem vor. Hot chile sauces
bestehen meist aus Chilipüree, Gemüse (Tomaten, Karotten), Zucker,
Salz, Säuerungsmitteln (Essig oder besonders empfehlenswert
Limettensaft)
und oft zusätzlichen Aromatika wie Zwiebel-
oder Knoblauchextrakt. Selbst mit sehr scharfen
Chilies erreicht man jedoch selten mehr als 10000 — 15000 Scoville
in der fertigen Sauce; höhere Werte lassen sich nur durch Verwendung von
Chili-Extrakten oder Oleoresinen realisieren. Diese Extraktsaucen
können extrem scharf (insane) sein, sogar schärfer
als reines Chili-Püree! Die schärfsten Produkte am Markt rühmen
sich mehrerer hunderttausend Scoville. Puristen beklagen allerdings häufig,
daß die Extrakte wenig Aroma und oft sogar einen unangenehmen
künstlichen Geschmack aufweisen, und bevorzugen daher die milderen aber
aromatischeren Natursaucen
.
Die extreme Schärfe der chinense-Sorten spielt in der
karibischen Küche eine große Rolle. So sind lokale Chilies in
Jamaica unter dem verheißungsvollen Namen
seven pot pepper bekannt — wohl um
anzudeuten, daß eine Frucht für sieben
gefüllte Kochtöpfe reicht. Diese kräftigen Chilies sind in
der bekannten jamaicanischen Gewürzpaste Jerk enthalten
(siehe Piment). In den meisten Teilen Méxicos
sind habanero-artige Chilies nicht gebräuchlich, aber
sie spielen eine große Rolle in der Mayaküche der Halbinsel
Yucatán. Dort werden sie oft leicht gequetscht oder angebohrt und dann
kurz in Saucen mitgekocht, damit sie ihren Geschmack, aber nicht ihre Schärfe,
abgeben. Siehe Annatto für ein Beispiel
von Habaneros in einer Maya-Gewürzmischung, recado.
Ceviche,
roher in Limettensaft marinierter Fisch, wird
in vielen lateinamerikanischen Ländern genossen.
In México bereitet man diese Speise meist mit den eher milden
jalapeño-Chilies zu, aber in Perú nimmt
man dazu eher den feurigen ají limo, manchmal aber
auch den milderen aber immer noch kräftigen ají
amarillo (C. baccatum).
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Die grünlichen Blüten des Tabasco stehen aufrecht am Stamm
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Der brasilianische Malagueta-Chili
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Malaguetachili mit Blüte
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Unreifer kanthari
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Tabasco-Chilies, getrocknet.
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Die letzte und kulinarisch wahrscheinlich am
wenigsten bedeutende Chili-Art ist Capsicum frutescens,
deren bekanntester
Vertreter der Tabasco-Chili ist. Kultivare dieser
Art findet man verstreut über Eurasien, Afrika und die Amerikas, aber
diese Chilies spielen in den lokalen Küchen meist nur eine untergeordnete
Rolle. Die brasilianische Sorte malagueta (auch
melegueta) ist die Wildform dieser Art bzw. steht ihr sehr
nahe. Der malagueta-Chili darf nicht mit dem afrikanischen
Melegueta-Pfeffer (einem Synonym für Paradieskörner) verwechselt werden.
Ähnlich wie die eng verwandten Arten
C. chinense und
C. annuum wurde auch C. frutescens im südlichen Mesoamerika in Kultur
genommen, allerdings zeigt die Art immer noch viele Kennzeichen einer
Wildform: So sind die Früchte klein, nicht fleischig, es gibt keine
unterschiedlichen Fruchtformen bei den einzelnen Kultivaren, und die
Früchte fallen im reifen Zustand leicht von der Pflanze ab, was die
Verbreitung durch Vögel erleichtert.
Die frutescens-Kultivare kann man an ihren grünen
Blüten und steil aufwärts gerichteten Blütenstengeln
erkennen; auch die spitzen Früchte entwickeln sich während der
ganzen Reifezeit in aufrechter Position. Allerdings weisen Wildformen von
C. chinense oft fast dieselben Merkmale auf, und von der
Fruchtform und -position könnte man frutescens-Sorten
auch leicht mit den sogenannten piquin-Typen von C. annuum verwechseln. Alle
Vertreter von C. frutescens sind sehr scharf und erreichen
typischerweise 100000 bis 150000 Scoville-Einheiten, manchmal auch etwas mehr.
So wurden für den Tabasco bereits Scoville-Werte von
190000 publiziert, was das höchste mir bekannte Resultat für einen
Chili außerhalb der
chinense-Gruppe darstellt.
Am indischen Subkontinent habe ich nur zwei frutescens-Kultivare eindeutig identifiziert: Den
kanthari [കാന്താരി]
aus dem tropischen Kerala und den
Kochi miris [කොච්චි මිරිස්]
aus dem klimatisch ähnlichen Sri Lanka; da Kochi [കൊച്ചി] die Hauptstadt Keralas ist, vermute ich, daß die Sorten
letztlich identisch sind.
Der Tezpur-Chili oder naga jolokia aus Assam
(Indien), der seit August 2000 sehr bekannt geworden ist, war ursprünglich
als frutescens beschrieben worden, aber in der Zwischenzeit
wurde nachgewiesen, daß es sich dabei um einen
chinense handelt,
der tatsächlich schärfer als jeder andere bekannt Chili schmeckt.
Interessanterweise führen alle frutescens-Arten ein Schattendasein in der Küche,
da sie im allgemeinen nur über wenig Eigengeschmack jenseits der Schärfe
verfügen. Sie werden meist einfach roh oder eingelegt zum Essen dazugeknabbert, manchmal auch kurz angbraten.
Der Tabasco-Chili mag als Ausnahme
erscheinen, aber man darf nicht vergessen, daß der typische
Geschmack der Tabasco-Sauce eher von der langen Reifedauer in Holzfässern
als vom zugrundeliegenden Chili stammt. Chilisaucen aus chinense-Chilies
sind meist schärfer und immer aromatischer als Tabasco-Sauce, auch wenn ihnen der
typische Fermentationsgeschmack natürlich fehlt.
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Der Hawaiian mit reifenden Früchten
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Reife Malagueta-Früchte
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Blüte des Kochi Miris
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Blüten des Kochi Miris
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Kochi Miris mit atypisch horizontalem Wachstum
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[ Pflanzenteil | Familie |
Aroma | Inhaltsstoffe | Herkunft |
Etymologie | Diskussion | Bottom ]
[ Kochen mit Chilies |
Neue Welt |
Alte Welt ]
[ Capsicum pubescens |
Capsicum baccatum |
Capsicum chinense |
Capsicum frutescens ]
Chilies in den Küchen Asiens und Europas
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Frische unreife Thai-Chilies (prik ki nu [พริกขี้หนู]). Obwohl sie ziemlich scharf sind, gehören sie botanisch zu C. annuum.
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Im tropischen Klima sind Chilies ganzjährig frisch erhältlich. In den
Küchen des tropischen Südostasien zieht man sie folgerichtig frisch
vor. So sind z. B. in Thailand die sogenannten Currypasten (prik gaeng oder
prik kaeng [พริกแกง])
Mischungen aus Chilies mit anderen frischen
Gewürzen (Zitronengras,
Galgant, Fingerwurz,
Kaffernlimettenblätter), die
dann gemeinsam gestoßen oder zerrieben werden; siehe
Kokosnuß für Details.
Viele Thai-Speisen schmecken brennend scharf, allerdings durch eine Vielzahl
frischer Gewürze und Kräuter auch sehr aromatisch. Beispiele dafür
sind gai pad krapao [ไก่ผัดกะเพรา],
Hühnerfleisch mit viel Chili
und Basilikum, und der nordthailändische
Salat laab [ลาบ]
(siehe Minze), der
seine Schärfe getrockneten roten Chilies verdankt.
Chili-basierte Tischwürzen sind in Thailand fast allgegenwärtig:
Auf den meisten Tischen, selbst in kleinen, billigen Restaurants oder in
privaten Heimen, findet man einen Satz von Tischwürzen, der auf Thai
kruang prung [เครื่องปรุง],
Würzmittel
heißt; dieses Wort wird meist mit
vier Würzen
(englisch four flavours)
wiedergegeben, obwohl es auch fünf oder mehr sein können.
Auf jeden Fall sind weißer Zucker,
prik nam pla [พริกน้ำปลา] (Fischsauce mit fein gehacktem grünen Chili),
prik dong [พริกดอง]
oder prik nam som [พริกน้ำส้ม]
(in Essig eingelegte rote Chilistücke)
und prik phong [พริกผง]
(Pulver aus getrockneten roten Chilies) dabei.
Mit dieser Auswahl kann man die vier grundlegenden Geschmacksnoten der
Thai-Küche (süß, salzig, sauer und scharf) nach Belieben
variieren; das Überraschende dabei ist, daß die salzige bzw.
die saure Würze dabei auch noch ziemlich scharf sind, zumindest nach
europäischem Standard. Oft findet man noch weitere Tischwürzen,
wie z. B. geröstete Erdnüsse,
prik siyu wan [พริกซีอิ๊วหวาน] (Sojasauce mit fein gehacktem Chili)
oder eine komplexere Sauce, die
als nam prik pao [น้ำพริก เผา] (gebratene Chilisauce
)
bekannt ist. Letztere kann man sowohl
als Tischwürze als auch zum Kochen benutzen; sie wird aus gebratenen
Zwiebeln, Knoblauch,
Chili, kräftigen Fischaromen und Palmzucker
hergestellt und schmeckt feurig–scharf, wegen des hohen Ölanteils aber
nicht beißend.
In Malaysia und Indonesien ißt man generell würzig, aber nicht
so extrem scharf. Da aber die indonesische Küche sehr heterogen ist, gibt
es sehr wohl einige Gegenden, in denen Chilies großzügig verwendet
werden: Westsumatra (nasi padang, siehe auch großer Galgant), Bali (siehe auch Indonesisches Lorbeerblatt und kleiner Galgant) und Nordsulawesi (das Siedlungsgebiet
des minahasa-Volkes) sind hier besonders hervorzuheben; siehe
auch Zitronengras über die indonesische
Würzpaste bumbu. Rujak ist ein
Fruchtsalat, der süßen Palmzucker und
feurige Chilies kombiniert; mir wird er ewig als kulinarisches Highlight
Indonesiens in Erinnerung bleiben (siehe dazu auch
Mango).
Überall in
Indonesien wird zum Essen sambal, eine rote und scharfe
Chilipaste, gereicht, um die Schärfe dem individuellen Geschmack
anzupassen. Sambal kann im einfachsten Fall nur aus zerquetschten, gesalzenen
Chilies bestehen (sambal ulek, in holländisch–kolonialer
Schreibweise sambal oelek), kann aber auch gebraten
und mit trassi, der
allgegenwärtigen Garnelenpaste, oder Nüssen oder anderen
Gewürzen angereichert sein; ein bekanntes Rezept ist sambal
bajak. In der sundanesischen Küche von West-Jawa wird
sambal manchmal mit Parakresseblättern angereichert, was ihm
eine besondere prickelnde Schärfe verleiht. Sambal ulek
kann auch zum Kochen verwendet werden (etwa für nasi goreng),
aber solcher Gebrauch kommt in Indonesien nicht so häufig vor
wie ihn westliche Kochbücher suggerieren.
Die meisten chinesischen Kochstile vermeiden zuviele Gewürze; besonders
aus südchinesischen (kantonesischen) Rezepten, die man in chinesischen
Restaurants am häufigsten findet, sind Chilies fast vollständig
ausgeklammert und werden allenfalls als Tischwürze gereicht, meist
in Form scharfer Saucen oder Dips;
la jiao jiang [辣椒酱] Chilisauce
entspricht etwa dem indonesischen sambal ulek, enthält
aber meist auch Pflanzenöl.
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Der tientsin-Chili [天津] ist für die Sichuan-Küche in China typisch.
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In Zentralchina
(Provinzen Sichuan [四川] und Hunan [湖南]) sind Chilies und Knoblauch dagegen sehr beliebt und werden teilweise in
erstaunlichen Mengen verwendet. Typischerweise werden getrocknete rote Chilies
in etwas Öl bei großer Hitze gebraten, bis sie tief dunkelbraun sind;
die Chilies werden dann entfernt, und man verwendet das Öl für
verschiedene stir fries (unter Rühren bei großer
Hitze gebratene Speisen). Ein sehr typisches Rezept dieser Art ist
la zi ji ding [辣子鸡丁],
mariniertes kleingeschnittenes Hühnerfleisch, das in solchem Chiliöl
gebraten wird. Für dieses Gericht verwendet man auf 100 g Fleisch
bis zu 20 g Chilies, die nicht entfernt, sondern mitserviert (allerdings
eher nicht mitgegessen) werden. Zusätzlich kann man mit Sichuanpfeffer
noch einen zusätzlichen Geschmacksakzent setzen (ma la zi ji ding [麻辣子鸡丁]).
Siehe auch Ingwer für ein weiteres Beispiel eines
chililastigen Sichuan-Gerichts.
Die gewöhnlichste Sorte chinesischer Chilies, die man auch in Sichuan verwendet,
heißt auf Chinesisch einfach la jiao [辣椒] scharfer Pfeffer
,
aber in den USA wird sie als tien tsin gehandelt. Diese
Bezeichnung bezieht sich wohl auf die nordostchinesische Provinz Tianjin [天津],
wo man Chilies anbaut, und von wo sie auch über den Pazifik exportiert
werden. Eine weitere chinesische Chilisorte ist der Yidu-Chili (yidu lajiao [益都辣椒]).
In Sichuan heimische Sorten sind der zum Himmel blickende
chao tian jiao [朝天椒],
ein kurzer, dünner, aufrecht wachsender, ziemlich scharfer Chili,
und der Sieben-Sterne-Chili
qi xing jiao [七星椒],
eine etwas mildere aber sehr aromatische Sorte, von der meist sieben
Früchte auf einem Zweig wachsen. Chilies aus der Yunnan-Provinz [云南, 雲南] haben den
Ruf, die Sichuan-Chilies an Schärfe zu übertreffen.
Alle diese Sorten, auch der billige la jiao, eignen sich sehr
gut für die oben beschriebene Methode des Bräunens in sehr
heißem Öl. Die besten Qualitäten sind so färbekräftig,
daß sich mit ihnen ein tiefrotes Chili-Öl herstellen läßt,
je nach Geschmack auf der Basis von raffiniertem Öl oder
von dunklem chinesischen Sesamöl.
Dazu legt man einfach die grob gestoßenen Chilies in warmes, nicht
heißes Öl ein und läßt wochenlang ziehen. Dieses
Chiliöl (hong you [红油] rotes Öl
) dient primär als Tischgewürz;
ein Beispiel für seine Verwendung ist
hongyou chaoshou [红油抄手],
gedämpfte gefüllte Nudeln (kantonesisch wantan [雲吞],
Mandarin hundun [餛飩]) die in einer
pikanten Flüssigkeit aus Sojasauce, Brühe, Zucker und Sternanis
mit einer dicken Schicht aus rotem Chiliöl serviert werden.
Eine andere Würzmethode besteht in der Verwendung von
doubanjiang [豆瓣酱],
einer scharfen rote Paste, die aus Chilies, Knoblauch, Ackerbohnen (Saubohnen) und Sojabohnen durch gemeinsame
Fermentation gewonnen wird und die vielen Sichuan-Gerichten ihren typischen
Geschmack verleiht. Wenn man es in Öl brät, entwickelt
doubanjiang nicht nur einen angenehm vollen, scharfen
Geschmack, sondern auch eine intensiv orangerote Farbe (siehe Sichuanpfeffer über diese Kochtechnik).
Doubanjiang schmeckt nur gekocht oder gebraten gut und
darf daher nicht sojafreiem Chilipüree vom Typ des indonesischen sambal ulek
oder mit chinesischer Chili-Öl-Paste la jiao jiang
verwechselt werden, die beide zumeist als Tischwürzen dienen.
Ein bekanntes Gericht der Sichuanküche ist mapo doufu [麻婆豆腐],
Bohnenkäse mit scharf gewürztem faschierten Schweinefleisch. Das mit
Knoblauch und doubanjiang rasch
gebratenes Faschierte wird dabei mit mild–cremigem Tofu kombiniert und
erhält seinen letzten Schliff durch gerösteten
Sichuanpfeffer und
Sesamöl. Ein anderes Beispiel der
abwechslungsreichen Küche Sichuans sind die
yuxiang-Speisen: Das chinesische Wort
yu-xiang [鱼香]
bedeutet eigentlich Fischduft
oder Fischgeschmack
und bezeichnet
eine spezielle, angenehm würzige Sauce aus getrockneten gebratenen Chilies
oder Chili-Soja-Paste (doubanjiang), Sojasauce,
Knoblauch, Ingwer und
anderen Gewürzen, die durch etwas Zucker und Essig charakteristisch
süß–sauer schmeckt. Weitere Sichuangerichte werden unter
Ingwer und Orange
besprochen.
Der chinesische Feuertopf (huo guo [火锅],
in Singapore als steamboat
und in Europa gelegentlich als chinesisches Fondue
bezeichnet)
ist eine besonders angenehme Art, chinesische Küche zu genießen;
wahrscheinlich leitet er sich aus mongolischen Eßtraditionen ab.
Ein großer Topf kochender Flüssigkeit wird in die Mitte des
Tisches gestellt, und jeder Esser kocht darin Gemüse, Teigwaren,
Schalentiere oder dünne Fleischscheiben in kleinen Portionen. Die
Kochflüssigkeit ist üblicherweise eine milde Brühe,
aber in der Sichuan-Version
(si chuan huo guo [四川火锅])
kommt ein zweigeteilter Topf mit zwei komplementär gewürzen Kochmedien zum Einsatz:
Eine milde Brühe (bai tang lu [白汤鹵] weiße Brühe
)
aus verschiedenem Fleisch mit Ingwer, Frühlingszwiebeln
und gelegentlich getrocknetem Seetang, und
eine scharfe (hong tang lu [红汤鹵] rote Brühe
),
die ihren pikant scharf–und–betäubenden (ma la [麻辣])
Geschmack von fermentierten Bohnen, getrockneten Chilies, doubanjiang und
Sichuanpfeffer bezieht.
Der Feuertopf mit zwei getrennten Brühen ist besonders im Gebiet um
Chongqing [重庆] im
Osten Sichuans sehr beliebt.
In Hunan ist das Essen nicht weniger würzig als in Sichuan, aber die Kochstile
sind ziemlich unterschiedlich. Man verwendet Chilies meist getrocknet (auch grob
gemahlen), gelegentlich auch frisch. Chiliöl und doubanjiang
sind weniger gebräuchlich, obwohl die Küche sonst eine große
Anzahl von Würzen aus fermentierten Sojabohnen verwendet. Die Speisen sind oft
stark mit Chili und Knoblauch gewürzt und werden
auch mit frischen Kräutern (Koriander und
Perilla) zubereitet. Hunan-Gerichte haben
oft eine merklich saure Note, aber süß und süßsauer
sind wenig beliebt. Geräuchertes Fleisch ist ein Schlüsselgeschmack der Hunan-Küche.
Obwohl vietnamesische Speisen im allgemeinen nur mäßig gewürzt
sind, findet man Chilies immer bei Tisch, entweder frisch oder in Fischsauce
(nuoc mam [nước mắm]), ähnlich wie in Thailand.
Siehe z. B. Zitronengras für vietnamesisches Fondue
,
das man mit scharfen Dips und den allgegenwärtigen frischen Kräutern ißt.
Das gilt allerdings eher für den Süden; im Norden dominiert
Knoblauch als Tischwürze.
In Japan spielt der Chili (tōgarashi [唐辛子, とうがらし]),
eine äußerst geringe Rolle, wohl geringer als in jedem anderen Land
Asiens. Zum Kochen wird er so gut wie nie verwendet, allerdings werden manche
Speisen mit Chili oder einer Chilizubereitung als Tischwürze serviert. Zu
Suppen gibt es getrockneten Chili entweder pur oder in Mischung mit anderen
Gewürzen (shichimi togarashi, siehe
Sichuanpfeffer).
Unter momiji-oroshi [紅葉 下ろし, もみじ おろし]
versteht man eine Mischung aus Rettich (daikon [大根, だいこん])
und wenig rotem Chili, die gemeinsam fein gerieben werden; diese Zubereitung wird
gelegentlich zu sashimi serviert
(siehe Wasabi), besonders in Zusammenhang mit dem
berüchtigten fugu-Kugelfisch [河豚, ふぐ], der das hochwirksame
Nervengift Tetrodotoxin enthält. Ohne große Übertreibung
läßt sich jedoch festhalten, daß sich Chilischärfe
mit der auf subtilen Aromen basierenden Küche Japans nicht
verträgt (siehe auch Perilla).
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Koreanische Tontöpfe für die Herstellung von kim chi und anderem fermentierten Gemüse
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In Korea dagegen liebt man Chilies über alles. Man verwendet sie
entweder als
vollreife, getrocknete Chilies von bestechender Farbe und ausgezeichneter
Schärfe, oder als chiligewürzte scharfe Bohnenpaste
(kochu jang oder gochu jang [고추장]).
Diese koreanische Chilipaste enthält
außer Bohnen und Chilies auch noch Klebreis, was ihr eine sämigere
Konsistenz und einen runderen Geschmack als ihrem chinesischen Pendant verleiht;
trotzdem kann man sie für gekochte Speisen notfalls durch chinesisches doubanjiang
ersetzen. Man verwendet kochujang für dünne Schmorgerichte
(jjigae, tchigae [찌개]),
in der Pfanne gebratenes Schweinefleisch (cheyuk pokkum [제육볶음]),
und manchmal auch roh als scharfen Dip. Neben Chilies sind für die
koreanische Küche Sesam (sowohl in Form von Sesamsamen als auch von
dunklem Sesamöl), Knoblauch und Ingwer die charakteristischsten Aromen. Die
koreanische Kochkunst ist im Westen noch nicht besonders bekannt.
Der koreanische Name kim chi [김치] bezeichnet eingelegtes
Gemüse, das einen wesentlichen Bestandteil der koreanischen Ernährung
ausmacht. Im Westen denkt man bei kim chi zuerst einmal an
eingelegtes Kraut bzw. Kohl (und das ist auch wirklich das Nationalgericht
Koreas), aber es gibt zahlreiche andere Arten davon. Die Rezepte variieren von
Haushalt zu Haushalt: Sehr beliebt ist das fermentierte baechu-kimchi [배추김치]
(eine sehr würzige fernöstliche Variante von Sauerkraut, siehe
Wacholder), aber andere Sorten sind mit Essig
gesäuert oder schmecken gar nicht sauer. Nach dem Kraut ist Rettich (von
der in Japan daikon genannten Art) das beliebteste Gemüse
für kim chi. Die meisten Arten kim chi
sind ziemlich scharf und enthalten kräftige Mengen an getrockneten roten
Chilies, frischem Knoblauch und frischem Ingwer; Sojasauce, Zucker und gelegentlich weitere
Kräuter oder Fischprodukte setzen weitere Geschmacksnoten.
Kim chi wird vor dem Servieren oft mit etwas Sesamöl beträufelt; man kann es auch als
Grundlage einer herzhaften Suppe (gimchi jjigae, kimchi tchigae [김치찌개])
verwenden.
Die srilankanische Küche verwendet frische grüne
Chilies, die in teilweise unfaßbaren Mengen für gebratenes Fleisch
und Gemüse oder für fritierte Linsensnacks verwendet werden.
Für Curries zieht man getrocknete rote Chilies vor; drei große
Eßlöffel für einen Liter Curry sind nichts Ungewöhnliches.
Reisender, laß Dich von der Farbe warnen (oder laß sie Dir als
Empfehlung dienen, je nachdem)! Ich habe kein anderes Land in Asien gefunden,
in dem Touristen sich so standhaft weigerten, einheimische Küche zu
probieren, wie Sri Lanka.
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Frittierter Buttermilch-Chili (mor vattal [மோர் வத்தல்])
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Tamlische Chilisorte kundu milagai vattal [குண்டு மிளகாய் வத்தல்]
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Auch in Südindien sind Chilies populär, ganz besonders in Andhra Pradesh, dem indischen
Hauptproduktionsgebiet, das sich der schärfsten Regionalküche Indiens rühmt. In der Tat
sind Andhra-Speisen häufig sehr scharf, und dazu meistens durch kräftigen Einsatz von Tamarinde auch noch erfrischend säuerlich.
Ein Beispiel dazu ist das als Tischwürze gebrauchte Ingwer-Chutney
allam chatni oder allam pachadi [అల్లం చట్ని, అల్లం పచ్చడి]
aus getrockneten Chilies, frischem Ingwer,
Tamarinde und Gewürzen (Bockshornkleesamen,
Knoblauch) hergestellt wird und oft auch Tomaten enthält; man ißt
es zu Brot oder Reis und peppt damit Gemüsecurries und Hülsenfrüchte auf.
Ein wenig milder wird im benachbarten Tamil Nadu gekocht, wo es mit dem kegelförmigen
kundu milagai [குண்டு மிளகாய்]
auch eine kegelförmige, besonders aromatische Variante gibt. Getrocknete, spitze Chilies
werden auch gerne in Buttermilch oder Joghurt und Salz mariniert und dunkelbraun frittiert;
in dieser Form serviert man sie als pikant–knusprige Beilage
(mor vattal [மோர் வத்தல்]).
Der südwestindische Bundesstaat Kerala kennt ähnliche Chilies wie
Tamil Nadu; zusätzlich verwendet man jedoch auch einen kleinen, spitzen
Chili namens kanthari [കാന്താരി],
der zur Art C. frutescens
gehört. Die beißend scharfen Schoten werden für scharfe Salate und
gewürzte Buttermilch
(pulisheri [പുളിശ്ശേരീ])
verwendet, und bei schärfeaffinen Köchen auch für Curries. Einen sehr ähnlichen
Chili fand ich auch in Sri Lanka, wo er als Kochi miris [කොච්චි මිරිස්]
bekannt ist; ich vermute, daß das wirklich Chili aus Kochi
bedeutet
und damit einen Ursprung aus der gewürzexportierenden Stadt Kochi (früher Cochin) [കൊച്ചി]
n Kerala anzeigt.
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Getrocknete Chilies aus der nordwestindischen Provinz Kashmir
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Der dundicut ist der traditionelle scharfe Chili in Nordpakistan
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In Nordindien, genauso wie in Zentralasien, werden Chilies vorwiegend in reifer
und getrockneter Form verwendet; allerdings reicht man frische grüne Chilies gerne als
Beilage zum Knabbern. Getrocknete Chilies werden ganz und gemahlen gehandelt und
weisen eine intensiv rote Farbe, ein intensives Aroma und eine intensive
Schärfe auf. Vor der Verwendung werden sie so gut wie immer in Fett
gebraten (siehe dazu auch Ajowan), um die
Schärfe zu extrahieren und besser in der Speise zu verteilen. In Indien
hat Chili aus Kashmir (im Nordwesten der indischen Union) den besten Ruf; ich
habe in Europa keine damit vergleichbare Qualität gefunden. Die tiefrote
(nicht orange, wie das Zeug bei uns) Farbe ist ähnlich wie bei der besten
ungarischen Sorte Paprika
(Delikateßpaprika), und auch das Aroma erinnert daran, aber die
Schärfe ist umwerfend und sehr angenehm. Eine Mischung verschiedener
Paprika- und Chilisorten ist wohl der beste Ersatz, den man hier im Westen
bekommen kann.
Diese leuchtend roten Chilies findet man in vielen lokalen Speisen, besonders
in den scharfen Beilagen (Pickles), für die Kashmir
besonders bekannt ist. Ein ungewöhnliches Beispiel ist das
ochar [اچار]
aus milchsauer vergorenem Blatt- und Wurzelgemüse, das stark an koreanisches
kim-chi erinnert und damit eine der wenigen indischen Speisen mit
starkem Fermentationsgeschmack ist. Ein weiteres tylisch kashmirisches Produkt ist
wary oder vari [وری],
das im Westen manchmal unter dem Hindi-Namen kashmiri masala [कश्मीरी मसाला]
verkauft wird. Es handelt sich dabei um eine etwas ölige aber krümelige Paste aus
verschiedenen gemahlenen Gewürzen, die ihre rote Farbe neben Chili auch getrocknetem
Hahnenkamm verdankt.
Chilihaltige kashmirische Hauptgerichte sind beispielsweise die in würziger Sauce
gekochten Fleischbällchen rista [رستہ]
und das rote Lammfleischragout rogan josh [روغنجش],
das in Form milderer mogulischer Adaptionen auch außerhalb Kashmirs beliebt ist.
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Getrockneter und geräucherter Naga-Chili
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Frische Khasi-Chilies (soh mynken rakut)
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Getrockneter und geräucherter Naga-Chili
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Der indische Subkontinent kennt auch einige Kultivare der Art C. chinense. Der bekannteste davon ist der superscharfe naga jolokia aus Nordostindien. In der Küche der Nagas, eines christlichen Volks an der indisch–burmesischen Grenze, wird er zur Herstellung scharfe Pickles und Würzpasten verwendet, wobei er entweder frisch oder getrocknet, manchmal auch getrocknet und geräuchert eingesetzt wird. Die Nagas essen teilweise kräftig gewürzte, teilweise sehr milde Speisen, die in jedem Fall am Teller zusätzlich nach Belieben mit scharfem Pasten aufgepeppt werden; in dieser Hinsicht erinnert ihre Küche eher an Südostasien als an Indien, aber sie verwenden weniger verschiedene Gewürze, außer Chilies vor allem Knoblauch und Ingwer. Die Nagas sprechen eine große Anzahl sehr verschiedener Sprachen, in denen der superscharfe Chili meist Königschili
genannt wird.
Beim benachbarten Volk der Meitei oder Manipuri steht der naga jolokia in besonders hohem Ansehen; er heißt dort umorok [উমোরোক, ꯎꯃꯣꯔꯣꯛ] Baum-Chili
.
Der umorok dient roh zum Würzen von Salaten und wird besonders gerne mit starken Fermentationsaromen kombiniert, die von
vergorenen Sojabohnen (havaijar [হৱাইজার, ꯍꯋꯥꯢꯖꯥꯔ])
oder in Tonkrügen gereiftem Fisch (ngari [ঙারি, ꯉꯥꯔꯤ]) stammen.
Seltener wird er verkocht, z. B. für iromba [ইরোমবা, ꯏꯔꯣꯝꯕꯥ],
eine flüssige oder feste Zubereitung aus gekochtem Gemüse und fermentiertem Fisch.
Außerhalb der Saison greift man auf getrocknete oder geräucherte Ware zurück;
frischer umorok schmeckt am besten im November, und ab Jänner gehen Qualität und Quantität spürbar zurück.
Siehe auch Chamäleonblatt für ein Beispielrezept.
Auch die Khasi, ein anderes Volk Nordostindiens, setzen diesen „schärfsten Chili der Welt“ ein. Man findet ihn z. B. in Tungtap, einer sehr pikanten Paste aus Trockenfisch, Zwiebel und Chili, die ebenfalls eher südostasiatisch als indisch schmeckt und das milde, nach Schmalz duftende Reisgericht Jadoh begleitet. Treffenderweise nennen die die Khasi diesen Chili Sohmynken Rakut, was so viel wie Monsterchili
bedeutet (ein anderer Name ist Soh Mynken Bep).
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Eingelegte nepalische Chilies (akabare achar [अकबरे अचार])
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Der akabare khorsani [अकबरे खोर्सानी]
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Ein weiterer chinense-Chili ist in Nepal verbreitet: Diese als akabare khorsani bezeichnete Sorte ist vor allem für das Bergland in mittleren Höhen bezeichnend, wo verschiedene Bergstämme leben (etwa Rai und Limbu). Er wird selten zum Kochen benuzt, sondern lieber zum Essen dazugeknabbert, entweder in frischer Form oder als Salzkonserve. Letztere Form bewahrt das Aroma ausgezeichnet und punktet mit einem zusätzlichen olivenartigen Geruch, der auf eine Milchsäure-Fermentation schließen läßt.
Ein dritter chinense-Chili des indischen Subkontinents ist der srilankanische nayi-miris [නයිමිරිස්],
der fast nur im zentralen Gebirge genutzt wird. Er wird gewöhnlich nicht gekocht sondern roh gegessen, manchmal auch in Form der scharfen Tischwürze
katta sambol [කට්ට සම්බෝල්]
oder lunumiris [ලුණු මිරිස්],
einer frisch zubereiteten Paste aus rohen Zwiebeln und Chilies (diese Verwendung ist allerdings nicht Standard).
Anders als die vorherigen Beispiele, ist diesr Chili nicht auf Minderheiten und Stammesgruppen beschränkt, sonder wird von der singhalesischen
Mehrheitsbevölkerung genutzt (allerdings nur im Bergland). Die Begeisterung der Singhalesen für Chilies wird auch daran sichtbar, daß dieselbe Region auch einen
weiteren exotischen Chili kennt, den Kochi miris [කොච්චි මිරිස්],
eine frutescens-Art, die oft in Hausgärten wächst. Das Bergland von Sri Lanka ist somit die einzige Region Südasiens mit
Chilies aus drei verschiedenen Arten in breiter Verwendung.
Es überrascht wohl niemanden, daß Chilies in zahlreichen asiatischen
Gewürzmischungen auftauchen:
Etwa der südindischen Mischung sambaar podi (siehe Koriander) und zumindest in einigen Versionen
des nordindischen garam masala (siehe Kreuzkümmel) sowie in den für jedes Gericht
extra hergestellten baghar-Zubereitungen [बघार] (siehe Zwiebel)
und in der verwandten tarka [तड़का] (siehe Ajowan).
Weiters fidet man sie im anglo–indischen
Currypulver (siehe Curryblätter) und deren äthiopischen Gegenstück berbere (siehe langer Pfeffer) sowie den arabischen Mischungen
zhoug (siehe Koriander) und
baharat (siehe Paprika). Im Fernen
Osten finden wir Chilies im japanischen shichimi togarashi
(siehe Sichuanpfeffer) oder den bereits zuvor
erwähnten thailändischen Currypasten (siehe Kokos). Über die mexicanischen
mole-Saucen siehe bei Paprika.
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Suryamukhi cluster [सूर्यमुखी], ein mittelscharfer indischer Chili.
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Getrocknete Chiles aus Bhutan (Länge ca. 8 cm)
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Andere Gewürzzubereitungen bestehen
zur Gänze oder zumindest größtenteils aus Chilies. Neben den
bereits erwähnten fernöstlichen Würzen wie
sambal ulek sind deren srilankanische Pendents zu nennen,
die oft ebenfalls sambol heißen. Recht bekannt ist
katta sambol [කට්ට සම්බෝල්, கட்ட சம்பல்],
eine dünne, frisch hergestellte Paste aus rohen Chilies und Zwiebeln.
Katta sambol wird im Westen mitunter mit einer anderen srilankanischen Würzpaste aus Chili und
getrocknetem Malediven-Fisch verwechselt, die auf Sinhala umbalakada sambol [උම්බලකඩ සම්බෝල්]
und auf Tamil masis sambal [மாசிச் சம்பல்] heißt;
diese enthält noch weitere Gewürze wie Curryblätter.
Weitere chilibasierte Tischwürzen sind die Pfeffersaucen
(besser Chilisaucen
, englisch hot pepper sauces) aus den Südstaaten der USA und
México: Eine typische Zusammensetzung ist etwa Essig
oder Zitronensaft,
Knoblauch, Salz und Chilies; siehe auch
langer Koriander über
salsa. Ein arabisches Beispiel aus Nordafrika ist
harissa [هريسة],
eine feurige Paste aus getrockneten roten Chilies, Knoblauch,
Kreuzkümmel (manche Rezepte schreiben auch Kümmel vor) und Koriander, Olivenöl
sowie eventuell etwas getrockneter Pfefferminze.
Harissa reicht man in den Atlasländern oft als Tischwürze zu
cous-cous [كوسكوس,
كسكسى], dem Nationalgericht aus gedämpftem Hartweizen mit
zahlreichen Beilagen. Ähnliche scharfe Tischwürzen des östlichen
Mittelmeerraums sind zhough [زوق]
und shatta [شطة]
(siehe Koriander).
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Getrocknete Chiles aus Bhutan (Länge ca. 8 cm)
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Es scheint einen positiven Zusammenhang zwischen Umgebungstemperatur und
Chiliverbrauch zu geben: Der Chiliverbrauch ist in kaltem Klima generell
niedriger.
Zu dieser Klimaregel gibt es allerdings eine bemerkenswerte Ausnahme: Tibet
(eine Ausnahme nicht nur in dieser Hinsicht!). Tibetisches Essen ist zumeist
nur mild gewürzt (siehe Sichuanpfeffer
für ein Beispiel), wird aber mit feurig–scharfen Chilisaucen serviert;
typisch für die Region sind Chilisaucen, die gereiften
Blauschimmelkäse enthalten (churu sibeh [ཆུ་རམ་སི་པན་]). Da reife
Chilies auf 3500 m Seehöhe nicht immer leicht zu erhalten
sind, verwendet man sehr oft unreife grüne Chilies, die kaum Aroma,
aber viel Schärfe aufweisen. Die eigenartige Kombination von Chilies
mit Käse findet sich auch im benachbarten Königreich Bhutan, dessen
Nationalgericht eine Käse–Chili-Suppe namens
himadatse [ཧི་མ་ཞད་ཚེ་]
(auch als ema datshi oder hemadatsi transliteriert) ist.
Dazu wird je nach Region frischer oder gereifter Käse verwendet, und die Chilies sind entweder
grün und frisch oder rot und getrockent; letztere haben ein sehr gutes Paprika-Aroma.
In den meisten europäischen Ländern werden Chilies
für bodenständige Gerichte nicht verwendet, nur in den
Mittelmeerländern und Ungarn sind sie ein traditionelles
Gewürz, obwohl das Essen auch dort selten wirklich feurig schmeckt.
Entsprechend gibt es auch nur wenige spezielle Chilisorten in Europa,
und die meisten davon kommen aus dem Süden oder Südosten. Sehr
scharf sind die kleinen portugiesischen piripíri,
die besonders im eingelegten Zustand (oft als piri-piri
bezeichnet) verkauft werden. Andere scharfe
Sorten werden dagegen fast nur getrocknet gehandelt, z. B. der
piment d’espelette aus dem französischen Baskenland
(baskisch ezpeletako biperra)
und der peperoncino aus dem Süden Italiens.
Unbedingt zu erwähnen ist noch der ungarische Kirschpaprika, der
einen ausgezeichneten Kompromiß zwischen Aroma und Schärfe
darstellt; für andere aromatische Sorten mit geringerer Schärfe
siehe unter Paprika.
In Mittel- und Nordeuropa sagt man
Chilies dagegen eher nach, das Essen zu verderben, und beschäftigt sich
traditionell weder mit ihrer Zucht noch mit ihrer Verwendung. Zumindest war das
einmal so, aber die Dinge ändern sich, und die Zucht von Chilies wird
in Deutschland (vermutlich auch anderswo) ein immer beliebteres Hobby. Dieser
Trend kommt (natürlich) aus den USA, wo der Anbau von Chilies im eigenen
Garten Anfang der Neunziger geradezu zu einem Volkssport wurde. Die
Verfügbarkeit neuer, aufregender Chilisorten könnte hierzulande
die Geschmacksvorlieben genauso revolutionieren, wie das in den USA bereits
eingetreten ist.