Achtung, index in statu nascendi
Konsonanten-System der indischen Sprachen
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| stimmlos unbehaucht | stimmlos behaucht | stimmhaft unbehaucht | stimmhaft behaucht | nasal
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velar | k | kʰ | g | gʰ | ṅ
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palatal | c | cʰ | j | jʰ | ñ
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retroflex | ṭ | ṭʰ | ḍ | ḍʰ | ṇ
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dental | t | tʰ | d | dʰ | n
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labial | p | pʰ | b | bʰ | m
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| y | r | l | v
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| ś | ṣ | s | h
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Khmer ist die Nationalsprache des Königreiches Kambodscha und wird in einer indischen Schrift geschrieben; die
Sprache gehört allerdings der austro-asiatischen Gruppe an und zeigt (außer einem Haufen indischer Fremdwörter) keine
strukturellen Ähnlichkeiten zu Sanskrit oder modernen indischen Sprachen. Daher stellen sich beim Schreiben von Khmer
ähnliche Probleme, wie ich sie am Beispiel des Thai bereits sehr ausführlich besprochen
habe: Das Konsonantensystem des Sanskrit (links) ist viel zu umfangreich, da Khmer weniger konsonantische Phoneme (und
nur sehr wenige Konsonantencluster) hat; umgekehrt kennt Khmer ca. 30 verschiedene Vokale. Khmer hat keine Töne,
unterscheidet aber ähnlich wie Thai verschiedene Konsonantenklassen, die die Aussprache der an den Konsonanten gebundenen Vokale beeinflussen.
Khmer hat, wie alle südostasiatischen Sprachen, keine retroflexte Reihe; allerdings sind die Buchstaben für die retroflexen Konsonanten beibehalten, und sie unterscheiden sich teilweise von der Aussprache der entsprechenden Dentale. Als Erweiterungen gegenüber dem Sanskrit-Standard kommen zwei Buchstaben hinzu: ḷ (das retroflexe L des Pali, ausgesprochen aber dental) und der meist als Q, von mir aber als ʾ transliterierte Laut für den glottalen Plosiv.
| Konsonantenzeichen der Khmer-Schrift
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| Sanskrit stimmlos unbehaucht | Sanskrit stimmlos behaucht | Sanskrit stimmhaft unbehaucht | Sanskrit stimmhaft behaucht | Sanskrit nasal
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| Khmer stimmlos unbehaucht | Khmer stimmlos behaucht | Khmer stimmlos unbehaucht | Khmer stimmlos behaucht | Khmer nasal
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velar
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palatal
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retroflex
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dental
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labial
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Die Lautwerte der Buchstaben stimmen nur in der Hälfte aller Fälle mit dem Sanskrit-Original überein: Alle Zeichen für stimmhaften Plosive stehen für stimmlose Varianten desselben Lautes, allerdings sind (ähnlich wie im Thai) drei stimmlose Laute (mit den Sanskrit-Äquivalenten ṭ, ḍ und p) zu Implosiven verschoben, die stimmhaften Verschlußlauten sehr ähneln (in meiner Eigenbau-Transliteration werden sie als stimmhaft ausgewiesen). Außerdem sind die drei Sibilanten ś, ṣ und s zu einem s-artigen Laut zusammengefallen (die ersteren beiden werden in der Schrift sehr selten verwendet).
Jeder Konsonantenbuchstabe gehört einer von zwei Konsonantenklassen (oder -registern) an: Der ersten Klasse gehören tendenziell jene Zeichen an, die im Sanskrit stimmlos gesprochen werden, und die zweite speist sich entsprechend überwiegend aus im Sanskrit stimmhaft gesprochenen Buchstaben. Dazu gibt es jedoch einzelne Ausnahmen: Ursprünglich retroflexe Dauerlaute (ṇ, ḷ) fallen überraschend in die erste Klasse, während die retroflexen Verschlußlaute ungeachtet ihrer modernen Aussprache dort stehen, wo man sie erwartet.
Im Unicode-Standard sollten die Konsonantenbuchstaben der Klasse 1 Namen tragen, die auf -A enden, und die der Klasse 2 solche auf -O; das entspricht grob der jeweiligen Aussprache des impliziten Vokals. Leider sind die Buchstaben NNA und SSA falsch als NNO und SSO benannt; in der obigen Tabelle habe ich diese beiden Fehler richtiggestellt und die nun nicht legalen Buchstabennamen mit einem Stern markiert.
Um Konsonantencluster zu schreiben, benutzt man ähnlich wie in vielen indischen Schriften verkleinerte und tiefgestellte Konsonantenbuchstaben: TSA ត្ស besteht also aus einem TA ត mit einem tiefgestellten und in seinen Proportionen verzerrten SA ស. In Unicode wird das wie üblich durch ein Steuerzeichen (Virama, auf Khmer Coeng) erreicht. Die Konsonantenklasse des Clusters entpricht der seines letzten Konsonanten.
Alle Khmer-Konsonantenbuchstaben haben einen inhärenten Vokal, der in Klasse 1 wie A und in Klasse 2 wie O klingt. Wie auch in anderen indischen Schriften werden andere Vokale als diakritische Buchstaben geschrieben. Khmer kennt 16 verschiedene Vokalbuchstaben, von denen einige (E, AE, AI) dem Konsonanten vorangehen und einige andere (OE, YA, IE, OO, AU) den Buchstaben von rechts und links einschließen; jeder Vokal wird in Unicode atomar codiert, also durch ein einzelnes Zeichen, das dem Konsonanten folgt. Das ist erheblich einfacher als in Thai, wo man sich jeden Vokal aus drei oder vier Zeichen zusamenbauen muß.
Nur ein Teil der Vokalzeichen hat auch eine Darstellung als unabhängger Vokalbuchstabe. Alle Vokale können jedoch als Silbe QA + Vokalzeichen geschrieben werden. Für die Fälle, in denen beide Möglichkeiten existieren, regelt die Orthographie, welche Darstellung zu wählen ist.
Fast alle Vokale haben je nach der Konsonantenklasse zwei verschiedene Lautwerte; die für Klasse 2 sind meist tiefer. Dabei gibt es keine Überlappungen: Jeder Vokal-Phon tritt entweder nur in Klasse 1 oder nur in Klasse 2 auf. Allerdings gibt es zwei „Klassen-Schieber“, also Zeichen, die die Klasse eines Konsonanten verändern: MUUSIKATOAN schiebt von Klasse 2 nach Klasse 1 und macht z. B. aus einem VO វ ein VA វ៉. Das Umgkehrte wird von TRIISAP geleistet: ស heißt SA, und ស៊ folglich SO. Die Konsonantenschieber stehen immer unmittelbar hinter dem Konsonanten, auf den sie einwirken.
Vokale können weitere phonologische Merkmale tragen, die in der Schrift festgehalten werden müsse. Einige Vokale (nämlich a,ā,u) haben nasale Varianten, die schriftlich durch den Zusatz des diakritischen Zeichens NIKAHIT angezeigt werden. Ein zweites Vokalmerkmal ist Behauchung (also ein folgendes H) bei a,u,e,ō; in der Schrift wird dazu das in den meisten modernen Schriften funktionslose altindische Zeichen Visarga ausgegraben, das auf Khmer REAHMUK heißt. Zuletzt kan der implizite Vokal auch noch glottalisiert sein; das dazu notwendige Zeichen heißt YUUKALEAPINTU.
Ein weiteres Zeichen namens BANTOC verkürzt den Vokal; es steht nach der Silbe, auf die es wirkt. Khmer kennt auch ein Löschzeichen TOANDAKHIAT, das gleich wie im Thai stumme Silben („orthographische Fossilien“) markiert; Khmer hat noch ein zweites Zeichen zum selben Zweck, nämlich ROBAT, das ursprüngich ein auf Konsonanten folgendes R symbolisierte (auf Indisch repha).