Der Name Nelke leitet sich von Nagel her, da die Knospen in der
Form an Nägel erinnern. Analoge Namen kann man auch in anderen
germanischen und germanisch beeinflußten Sprachen finden:
Norwegisch nellik, dänisch nellike,
isländisch negull, schwedisch neijlikor,
jiddisch negelen [נעגעלען],
finnisch neilikka, estnisch nelgi und Sranan nagri.
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Alter Gewürznelkenbaum auf Ternate
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Nelkenbaum mit Mutternelken
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Nelkenbäume in Nordsulawesi
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Das Wort Nagel (althochdeutsch nagal) hat Verwandte in praktisch
allen indoeuropäischen Sprachen und bedeutet primär Finger- oder
Zehennagel
; die Bedeutung (Metall-)Stift mit flachem Kopf
ist sekundär
und auf germanische Sprachen beschränkt: altirisch ingen,
lateinisch unguis Nagel
, lettisch nags Huf
,
griechisch onyx [ὄνυξ] Kralle
,
Sanskrit anghri [अंघ्रि] Fuß
.
Die zugrundeliegende indoeuropäische Wurzel ließ sich wegen des
schwankenden Vokalismus nur schwer erschließen, aber mit der Laryngaltheorie
ergibt sich H₃NOGʰ oder H₃N̥Gʷʰ (mit verschiedenen Erweiterungen) Nagel, Kralle
als recht zuverlässige Vermutung.
Die Bezeichnung von Gewürznelken als Nägel
oder
Nagelgewürz
findet sich auch in anderen Sprachen,
beispielsweise russisch gvozdika [гвоздика]
von gvozd’ [гвоздь] Nagel
.
Weitere Beispiel sind die Namen von Nelken in einigen Sprachen West- und
Zentralasiens: Georgisch mikhak’i [მიხაკი],
Azeri mixək und
Farsi mikhak [میخک]
hängen mit Azeri mıx und
Farsi mikh [ميخ] Nagel
zusammen.
Letztlich stammt der Name wahrscheinlich aus einer altaischen Sprache, vgl.
türkisch mıh und Uighur mih Nagel
Auf ähnliche Weise hat auch das hebräischen
tsiporen [ציפורן]
die doppelte Bedeutung Gewürznelke
und Fingernagel
, obwohl
das Hebräische natürlich nicht mit den zuvor erwähnten
Sprachen verwandt ist. In seiner althebräischen Form
tsipporen [צפרן, צִפֹּרֶן]
tritt das Wort auch im Alten Testament auf, allerdings nur in den Bedeutungen
Fingernagel
und Spitze
, aber nicht für das Gewürz.
Gewürznelken erreichten den Mittelmeerraum wahrscheinlich erst im
ersten oder zweiten Jahrhundert vor Christus.
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Gewürznelkenknospen
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Noch eine weitere nicht verwandte Sprache benennt Gewürznelken nach
Nägeln: Das baskische iltze-kanela bedeutet
wörtlich Zimt-Nagel
(iltzatu Nagel
);
auch die Kurzform iltzea ist möglich.
Das Gewürz wurde also zugleich nach seiner Form und, wenn auch
etwas ungenau, nach seinem Geruch benannt.
Siehe indonesischen Zimt für die
Etymologie des zweiten Wortbestandteiles.
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Gewürznelkenknospen
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Gewürznelkenblüten
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Gewürznelkenknospen
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Schwedisch kryddnejlikor oder niederländisch
kruidnagel sind verstärkende Bildungen ganz analog zu
Gewürznelke; für die ersten Bestandteil siehe
Bohnenkraut bzw.
Beifuß.
Englisch clove Gewürznelke
hat einige
Verwandte in romanischen Sprachen: Spanisch clavo,
katalanisch clau, portugiesisch cravinho
(vgl. auch Tagalog clovas). Auch diese Namen tragen
Assoziationen zu Nägeln: Lateinisch clavus Nagel
.
Das englische clove hat auch die Bedeutung Zehe
in der Formulierung eine Zehe Knoblauch
;
diese beiden Bedeutungen sind verwandt und lassen sich semantisch auf das
Spalten (engl. cleave) zurückführen. Genauere
Betrachtung zeigt, daß unser deutsches Wort
Knoblauch
ebenfalls zu dieser Sippe gehört
(siehe dort über weitere etymologische Zusammenhänge von
clavus).
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Nelkenblüte im Detail
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Aus dem Altgriechischen ist der Name karyophyllon [καρυόφυλλον]
für die Gewürznelke überliefert; dabei scheint es sich um eine
Zusammensetzung aus karyon [κάρυον] Nuß
und phyllon [φύλλον] Blatt
zu handeln. Allerdings wäre ein solcher Name sehr schlecht motiviert, und außerdem sind die meisten Namen für Importgewürze im
Altgriechischen den Sprachen der jeweiligen Händler entlehnt, z. B.
Zimt, Kassie,
Sesam, langer Pfeffer,
Malabathron und Ingwer;
daher hege ich Zweifel am griechischen Ursprung dieses Namens. Wahrscheinlicher
ist die volksetymologische Umdeutung eines süd- oder
südostasiatischen Lehnwortes. Als Quelle kommen vor allem Sprachen
Indiens in Betracht; so gibt es z. B. im Sanskrit den Namen
katuka phala [कटुक फल] scharfe Frucht
für eine leider nicht identifizierte Pflanze (beide Worte haben keinen indoeuropäischen Ursprung,
wahrscheinlich stammen sie aus einer alten indischen Spache, z. B. Tamil oder Munda). Da Nelken vorwiegend an den
Häfen Südindiens gehandelt wurden, ist es interessant, daß
in einigen Sprachen der Region sehr ähnliche Namen für Nelken (mit dem Konsanantengerüst K–R–[PB])
existieren: Tamil karambu [கராம்பு],
Malayalam karayanpu [കറയാന്പൂ] und auch
Singhalesisch karabu [කරාබු].
Das Malayalam-Wort hat sogar noch einen palatalen Approximanten an der selben Stelle wie karyophyllon.
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Nelkenblüte im Detail
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Gewürznelkenblüten
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Die Suche nach einem Ursprung des griechischen Wortes liefert weitere Treffer in Südostasien, und zwar in allen großen Sprachfamilien:
Thai kanphlu [กานพลู],
Lao kanphu [ກ້ານພູ],
Khmer klampu [ក្លាំពូ] und
Tagalog klabong. Es wäre verlockend, hier auch japanisch kurobu [クローブ]
anzuschließen, aber dabei handelt es sich nur um eine moderne Adaption des englischen clove, wie man sie
manchmal im Internet antrifft; der echte
japanische Name der Nelken hat chinesische Wurzeln (siehe weiter unten).
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Gewürznelkenblätter
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Das altgriechische karyophyllon [καρυόφυλλον]
ist nicht nur im neugriechischen garifalo [γαρίφαλο]
Gewürznelke
erhalten, sondern erreichte über das lateinische
gariofilum auch einige moderne romanische Sprachen (italienisch
garofano, französisch girofle).
Weiters in diese Sippe gehören türkisch karanfil,
serbisch karanfilić [каранфилић],
bulgarisch karamfil [карамфил],
kasachisch qalampır [қалампыр],
Dhivehi karanfoo [ކަރަންފޫ],
Swahili karafuu und einige Namen in semitischen Sprachen:
Arabisch al-qaranful [القرنفل]
und amharisch krinfud [ቅርንፉድ].
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Gewürznelkenblätter
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Junge Gewürznelken
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In einigen Sprachen teilen die Gewürznelken einen Namen mit der
duftenden Zierpflanze Dianthus caryophyllatus, so z. B.
deutsch Nelke, italienisch garofano,
griechisch garifallo [γαρύφαλλο],
weißrussisch gvazdziki [гваздзікі]
und russisch gvozdika [гвоздика].
Auf Englisch kennt man die Zierblume auch als gillyflower;
dieses Wort hängt etymologisch mit griechisch karyophyllon
zusammen und ist daher mit den im vorigen Absatz genannten Namen für
Gewürznelken verwandt.
Eine andere Gruppe von Namen für Nelken findet man in Indien, z. B.
Pashto und Urdu lung [لونګ, لونگ],
Kashmiri rong [رونگ],
Hindi und Punjabi laung [लौंग, ਲੌਂਗ],
Gujarati laving [લવિંગ],
Bengali labango [লবংগ]
und Telugu lavangalu [లవంగము].
Diese Namen haben keine Etymologien in den indoarischen (oder dravidischen) Sprachen und sind daher Lehnwörter,
möglicherweise teilen sie einen entfernten gemeinsamen Ursprung mit karyophyllon and kanplu.
Ich habe die Vermutung auf einen Import von einer malaiischen Sprache gelesen, was uns wieder zu
Tagalog klabong bringt; in modernem Indonesisch und Malay heißen Nelken aber cengke.
Auf Tamil und Malayalam bedeutet ilavangam [இலவங்கம், ഇലവംഗം]
überraschenderweise jedoch Zimtbaum
.
Manche Wörterbücher listen allerdings auch Nelke
als Nebenbedeutung.
So ein Verhalten ist typisch für Lehnwörter, die sich an das nächstbeste Gewürz
anheften; ein epenthisches i
ist in diesen Sprachen üblich, wenn Fremdwörter mit einem unzulässigen Konsonanten (R,L) oder Cluster beginnen.
Der botanische Gattungsname Syzygium leitet sich von griechisch
syn [σύν] zusammen, mit
und
zygon [ζυγόν] Joch
(von zeugnynai [ζευγνύναι] verbinden
)
ab. Diese Benennung bezieht sich auf die Blütenblätter, die
zu einer haubenartigen Struktur verwachsen sind. Diese Blütenblätter können sich daher bei Blühbeginn
nicht öffnen, sondern fallen einfach ab; der auffällige Teil der Blüte besteht nur aus den Staubgefäßen.
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Mutternelken (Nelkenfrüchte)
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Die chinesische Bezeichnung für Gewürznelken ist ding xiang [丁香],
auch als ting hsiang oder ähnliches transkribiert. Ähnlich wie Nelke
im Deutschen
steht das Wort auch für eine duftende Zierpflanze, nämlich den Flieder (Syringa spp.): Die Flieder-Gattung heißt
ou ding xiang [欧丁香], was man grob als Europäische Nelke
wiedergeben kann, und für die einzelnen Arten sagt man z.B.
bao ma ding xiang [暴马丁香] für die in China heimische S. reticulata.
In der Bedeutung Nelke
wurde das Wort
als dinh huong [đinh hương] ins Vietnamesische
und als chong-hyang [정향] ins Koreanische
entlehnt. Dabei steht 香 xiang
einfach für Gewürz, Wohlgeruch
. Dieses Zeichen ist oft Bestandteil der Namen von
Gewürzen oder aromatischen Zubereitungen und kommt auch im Namen Hongkong vor
(kantonesisch heung gong [香港],
Mandarin xiang gang [香港] duftender Hafen
).
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Modell eines Segelschiffes aus Gewürznelken (Molukken-Kunsthandwerk)
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Mutternelken (Nelkenfrüchte)
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Der Bestandteil 丁 ding
bedeutet im modernen Chinesisch kleines Objekt
und bezeichnet übrigens auch eine Schneidetechnik, Fleisch
in ziemlich kleine Stücke zu schneiden; andere mögliche Bedeutungen sind vier
, Stück
oder
ein männlicher Vorname, aber es kann nicht Nagel
heißen. Trotzdem nehme ich an, daß
auch ding xiang ursprünglich Nagelgewürz
bedeutet hat: Erstens steht
die Form des Zeichens 丁 für einen Nagel,
der im modernen Chinesisch ebenfalls ding [钉] heißt
(das letztere Zeichen besteht aus jin [金] Metall
und ding [丁] als phonetischem Komplement und bedeutet daher
etwas aus Metall, was wie ding gesprochen wird
).
Zweitens wird das koreanische chong-hyang in der veralteten sino-koreanischen Schreibweise
als 釘香 mit der traditionellen Variante
des Nagel-Zeichens geschrieben; vielleicht war die analoge Schreibung auch im Chinesischen früher üblich,
obwohl 钉香 zumindest heute nicht gültig ist.
Im Japanischen ist die Sache etwas verzwickter: Auch hier gibt es einen Namen, der mit den selben beiden Zeichen wie im chinesischen
geschrieben wird, nämlich cho-ko [丁香, ちょうこう, チョウコウ].
Dieser ist aber weniger gebräuchlich als cho-ji, für das es zwei Schreibweisen in Kanji gibt
[丁子, 丁字, ちょうじ, チョウジ], von denen
die erstere die üblichere ist. Das zweite Zeichen bedeutet dabei kleines Objekt
.
Ausgewählte Links
Indian Spices: Cloves (indianetzone.com)
Ilkas und Ullis Kochecke: Nelke (rezkonv.de via archive.org)
A Pinch of Cloves (www.apinchof.com)
The Epicentre: Cloves
Chinese Herb Database: Cloves
Medical Spice Exhibit: Cloves (via archive.org) (via archive.org)
chemikalienlexikon.de: Acetyleugenol
Transport Information Service: Cloves
Sorting Syzygium names (www.plantnames.unimelb.edu.au)
The Mythic Chinese Unicorn zhi: The Cinnamon Route (via web.archive.org)
The Economist: A Taste of Adventure