Langer Pfeffer, blühende Pflanze, P. longum |
Blüte des indischen langen Pfeffers, P. longum |
Langer Pfeffer kam noch vor dem heute dominierenden schwarzen Pfeffer nach Europa. Bereits bei den Römern wurde er sehr geschätzt und auch teuer bezahlt — etwa dreimal soviel wie für gewöhnlichen schwarzen Pfeffer, der schon selbst keineswegs billig war. Mit seinem süßlich–scharfen Geschmack paßte langer Pfeffer tatsächlich sehr gut zu den pikant–süßen Kompositionen der altrömischen Küche (siehe auch Silphion). Heutzutage ist dieses Gewürz aber fast unbekannt und mitunter schwer zu bekommen.
Da Terpenkomponenten im Aroma fehlen, kann man langen und schwarzen Pfeffer
nicht füreinander austauschen; als (unzureichenden) Ersatz kann man
allenfalls weißen Pfeffer mit einer Spur Muskatblüte versuchen. Der
süßlich–scharfe Geschmack des langen Pfeffers paßt besonders
gut zu würzigem Käse (er ist ein Hausgeheimnis
in meinen
Käsefonduemischungen) oder zu Weinsaucen.
In Asien verwendet man zwei sehr nahe verwandte Pfefferarten mit fast demselben Geschmack: Piper retrofractum aus Indonesien (Balinesischer Pfeffer) hat etwas kleinere Stangen als P. longum aus Indien (Bengalischer Pfeffer). Im Westen bekommt man zumeist den letzteren.
Da langer Pfeffer schärfer ist als schwarzer, empfiehlt sich sparsamer Umgang damit, außer, man liebt es scharf. Die Stangen sollten erst vor der Verwendung zerbrochen und zerstoßen oder gemahlen werden. In Indien verwendet man den langen Pfeffer vor allem zu pikantem eingelegtem Gemüse (pickles, in Hindi achar [अचार]).
Interessanterweise ist langer Pfeffer auch in Afrika bekannt und beliebt, und
zwar in den islâmisch dominierten Regionen Nord- und Ostafrikas, wo
arabische Händler ihn aus Indien einführten. Deshalb findet man
langen Pfeffer mitunter auch in der marokkanischen Mischung ras el
hanout (siehe Kubebenpfeffer); er spielt aber
auch eine gewisse Rolle in Äthiopien, wo man ihn oft den typischen
Eintöpfen (wat [ወጥ]) zusetzt, sehr häufig in Kombination
mit schwarzem Pfeffer, Muskat, Gewürznelken
und Curcuma; in letzterer Zutat manifestiert sich
die Verwandtschaft zur indischen Küche. Bekannte Beispiele sind
siga wat [ስጋ ወጥ],
mageres Rindfleischstücke in einer dicken, würzigen Sauce aus
Chilies, Zwiebeln und
Knoblauch, sowie
doro wat [ዶሮ ወጥ],
ein Eintopf aus Hühnerfleisch und hartgekochtem Ei in einer
ähnlichen Sauce. Als Beilage wird neben Reis in ganz Ostafrika ein
fladenartiges gesäuertes Brot (injera [እንጀራ])
gegessen, das aus der lokalen Getreideart Teff [ጤፍ] (Zwerghirse, Eragrostis tef)
hergestellt wird.
Blühender langer Pfeffer |
Ostafrikanische Küchen zeigen einige
Parallelen zur indischen Kochtradition: So wird viel mit geklärter
Butter (niter kibbi [ንጥር ቅቤ])
gekocht; anders als indisches ghi wird das äthiopische Pendent
jedoch bereits bei der Herstellung mit Gewürzen aromatisiert und dient
weniger als Bratmedium denn als Würzmittel. Auch die traditionelle
Gewürzmischung berbere (auch berebere
geschrieben) erinert stark an indische masalas (siehe Kreuzkümmel),
und zwar sowohl in der Liste der Zutaten als auch in der Herstellung, bei der
die Gewürze z.T. trocken geröstet werden.
In Äthiopien bezeichnet das Wort berbere [በርበሬ]
sowohl ein mittelscharfes bis scharfes, meist grobes Chilipulver als auch eine auf diesem Pulver
basierende Gewürzmischung (gewürztes berbere
).
Die Berbere-Mischung ist ziemlich scharf und wird besonders zum Würzen von Lammfleisch verwendet; man stellt sie her, indem man getrocknete rote Chilies in einer trockenen Pfanne einige Minuten röstet und sodann langen und schwarzen Pfeffer, Korianderfrüchte, Ingwer, Bockshornklee und auch etwas Ajowan hinzufügt; für den aromatischen Geschmack sorgen Zimt, Nelken, Piment und Cardamomsamen. Ein weiterer Bestandteil, der jedoch in vielen Rezepten in für den westlichen Markt geschriebenen Kochbüchern fehlt, ist die Weinraute, entweder in Form frischer Blätter oder frischer oder getrockneter Früchte.
Berbere wird nicht nur zum Kochen verwendet, sondern kann auch mit Wasser, Wein oder Met (tej [ጠጅ]) zu einer Paste namens awaze oder awazi [አዋዜ] verarbeitet werden, die man als Tischwürze reicht. Wenn man diese Paste bei erhöhter Temperatur trocknet, erhält man ein noch aromatischeres Gewürz. Manche Berbere-Rezepte schreiben wiederholtes Befeuchten und Trocknen vor, um den Geschmack zu optimieren; gewisse empfindliche Zutaten, wie Rautenblätter oder Basilikum, kommen erst im letzten Arbeitsschritt dazu.
Im Nachbaarstaat Eritrea findet man eine ähnliche Küche; ihr
eigenständiger Charakter resultiert aus der Verwendung mediterraner
Zutaten (