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Silphion

Silphion/Silphium: Griechische Münzen
Kyrenaische Münzen aus griechischer Zeit

www.wildwinds.com

Synonyme

Bei den Griechen hieß die Pflanze fast immer silphion [σίλφιον]. In antiken römischen Koch­büchern war das Gewürz dagegen sowohl als silphium als auch als laserpicium (plus Varianten wie laser oder lasar) bekannt; letzterer Name wurde später auf Asant an­gewendet, der als ein minder­wertiger Ersatz galt.

Verwendeter Pflanzenteil

Wahrscheinlich eine Art Harz, das man durch Anritzen aus der Wurzel oder dem Stengel gewann. Daneben wurden Blätter, Stengel und Wurzel auch gelegentlich als Gemüse gegessen, vor allem in der Frühzeit.

Pflanzenfamilie

Apiaceae (Dolden­blüten­gewächse)

Eine Minderheit von Wissenschaftern hält die Zuordnung von des antiken Silphion zu den Doldenblütlern für fehlerhaft und erkennt in den antiken Abbildungen eher einen Korbblütler. Die neuweltliche Asteraceen-Gattung Silphium ist nach dem antiken Kraut benannt.

Allerdings erscheint eine solche Zuodnung sehr unwahrscheinlich, wenn man die einzige antike Beschreibung der Pflanze liest. Der Text stammt von Theophrastos [Θεόφραστος], der zu einer Zeit schrieb als die Pflanze noch existierte und der deshalb auf Informanten zurückgreifen konnte, die de Pflanze wirklich kannten. Die Blätter, für er den Namen maspeton angibt, werden als sellerie­ähnlich beschrieben: to de phyllon, ho kalousi maspeton, homoion to selino [τὸ δὲ φύλλον ὃ καλούσι μάσπετον ὅμοιον τῷ σελίνῳ] aber das Blatt, das sie Maspeton nennen, [ist] dem Sellerie ähnlich. Damit sollte die Frage eigentlich bereits entschieden sein.

Außerdem vergleicht Theophrastos in seinem Silphion-Kapitel die geheimnis­volle Pflanze mit insgesamt drei ver­schie­denen Pflanzen, alles Dolden­blütlern (zu­gegebener­maßen sind die genauen Identi­fika­tionen oft etwas heikel). Am häufigsten nennt er narthex [νάρθεξ] (Ferula spp.), und außerdem merkt er an, daß Silphion zwar immer wieder mit magydaris [μαγύδαρις] (Prangos spp.) ver­wechselt wird, daß aber Experten die beiden unter­scheiden können.

Etwas verwirrend schreibt Theophrastos der Pflanze einen sperma platy [σπέρμα πλατύ] flachen (oder breiten) Samen zu, der auch phyllon [φύλλον] Blatt genannt werde. Tatsächlich sind die Früchte vieler Doldenblütler (z. B. in der Gattung Ferula) mit zwei ver­breiter­ten Längs­rippen gefügelt, was sie flach und blättrig wirken läßt (das kann man auch bei Dill sehen). Gegen diese detaillierte Quelle ist die These von Silphion als Korb­blütler schwer zu verteidigen.

Geruch und Geschmack

Unbekannt, aber extrem angenehm.

Silphion wurde nicht nur als Gewürz verwendet, sondern sondern hatte auch einen Ruf als Heilkraut, besonders zur Geburtenkontrolle. Das erklärt wahrscheinlich seinen Auftritt in einem erotischen Liebes­gedicht von Catullus. Darin fragt er, wieviele Küsse seiner Geliebten ihm ausreichen würden, und kam zum Schluß daß nicht einmal so viele quam magnus numerus Libyssæ harenæ lasarpiciferis iacet Cyrenis so viel wie die Anzahl des libyschen Sandes, der im silphion­tragenden Kyrene liegt seinen Durst stillen könnte.

Inhaltsstoffe

Unbekannt. Da Silphion bereits in der Antike durch den zentralasiatischen Asant ersetzt wurde, kann man vermuten, daß beide Pflanzen ähnliches Aroma und wohl auch ähnliche Inhaltsstoffe aufwiesen. Das würde dann auf viel­fältige schwefel­haltige Verbindungen deuten.

Herkunft

Nordafrika. Etliche nordafrikanische Stadtstaaten (Karthago, Kyrene) beherrschten den Handel mit Silphion und gründeten darauf ihren Reichtum. Laut Theophrastos glaubten die Bewohner von Kyrene, daß die Pflanze erstmals sieben Jahre vor der Gründung ihrer Stadt ((7. Jahrhundert) auftrat. In der Tat gibt es keine weiter zurückreichenden Hinweise auf das Kraut; offenbar wurde es erst von den Kyrenern für die Küche entdeckt.

Theophrastos schreibt außerdem, die Pflanze käme in Afrika in einem Gebiet von 4000 Stadien oder gut 600 Kilometern vor; am häufigsten sei sie aber im Gebiet der Großen Syrte, ab [vermutlich: westlich von] [der griechischen Kolonie] Euhesperides, was ungefähr der Lage des späteren Berenike [Βερενίκη] oder des heutigen Benghazi [بنغازى] in Libyen entspricht.

Etymologie

Der griechische Name silphion [σίλφιον] ist wahrscheinlich einer semitischen Sprache entlehnt.

Ausgewählte Links

Silphium: Ancient Wonder Drug Birth Control Silphion — ein Nachruf (Österreichische Apothekerzeitung 23/2001) From Silphium to Asafoetida: A Tale of Two Ancient Spices The Apicius Cookbook M. Gavius Apicius: De re coquinaria Cato: On Farming M. Porcius Cato: De agricultura (middlebury.edu) M. Porcius Cato: De agri cultura (wikisource.org) The Satyricon — Volume 02: Dinner of Trimalchio (Project Gutenberg) C. Petronius: Satyricon (English interlinked with Latin) Dinner with Trimalchio – a nice discussion of the work (angelfire.com) Die Speisen in Trimalchios Gastmahl (www.phil.uni-erlangen.de via archive.org) Recipe and Discussion: Moretum (Roman cheese and herb paste) (www.godecookery.com via archive.org) Poem by Vergilius Moretum, English Translation (virgil.org) Bibliotheca Augustana: Moretum (www.fh-augsburg.de) The Banquet of Jupiter, including moretum recipe (beastbay.com via archive.org) Carmina Catulli: Quæris quot mihi basiationes … (www.ancientworlds.net) Informazione sulla Colatura di Alici di Cetara (saporidelsole.it) Apicius Book One — richly commented (uchicago.edu) Artikel bei goccus.com: Die Küche im Alten Rom


Silphion/Silphium: Cyrenaische Golddrachme
Silphion (Cyrenaische Golddrachme)

www.usask.ca

Silphium: Libysche Silphionmünze
Antike Silphionmünze

Das Gewürz Silphion wird in Marcus Gavius Apicius’ De re coquinaria (Über die Kochkunst) erwähnt. Apicius lebte zwar im ersten Jahrhundert nach Christus, aber das unter seinem Namen bekannte Kochbuch ist wesentlich jünger und stammt aus dem 4. Jhd. — entweder handelt es sich um eine Neubearbeitung oder um ein unabhängiges Werk, das sich mit dem Namen des zu dieser Zeit bereits legendären Schlemmers schmücken wollte.

Eine späte (5. Jhdt) Sammlung von Rezepten, die auf das Apicius-Kochbuch zurückgehen soll und von einem gewissen Vinidarius stammt, beginnt mit einer langen Liste von Zutaten, die ein guter Koch in der Küche vorrätig halten sollte. Ganz am Anfang stehen die Gewürze (Übersetzung mit Mauscursor und CSS1):

Brevis pigmentorum que in domo esse debeant ut condimentis nihil desit: crocu, piper, zingiber, lasar, foliu, baca mirte, costu, cariofilu, spica indica, addena, cardamomu, spica nardi.

De seminibus hoc: papaber, semen rude, baca rute, baca lauri, semen aneti, semen api, semen feniculi, semen ligustici, semem eruce, semen coriandri, cuminu, anesu, petrosilenu, careu, sisama.

De siccis hoc: lasaris radices, menta, nepeta, salvia, cupressu, origanu, iuniperum, cepa gentima, bacas timmi, coriandrum, piretru, citri, pastinaca, cepa ascalonia, radices iunci, anet, puleiu, ciperum, aliu, osprea, samsucu, innula, silpiu, cardamomu.

Bemerkenswerterweise tauchen einige Gewürze dieser Liste (Safran, Salbei, Gewürznelken) im Text der erhaltenen Apicius-Kochbücher nicht oder nur selten auf, während die sehr wichtigen frischen Kräuter in der Liste völlig fehlen. Man kann davon ausgehen, daß mit Silpium durchgehend der Asant gemeint ist, da ersterer zur Zeit der Endfassung des Buches schon seit Jahrhunderten ausgestorben war. In der folgenden Übersetzung der spätlateinischen Passage können die klassisch-lateinischen Namensformen mit dem Mauszeiger sichtbar gemacht werden:

Kurze Liste der Gewürze, die im Haus vorhanden sein sollten, damit es den Würzsaucen an nichts fehle: Safran, Pfeffer, Ingwer, Silphion-Harz, Indische Lorbeerblätter, Myrtenbeeren, Kostuswurz, Gewürznelken, indische Narde, Addena, Cardamom, Speik-Narde.

Von den Samen das folgende: Mohn, Weinrauten-Samen, Weinrauten-Beeren, Lorbeer-Beeren, Dillsamen, Selleriesamen, Fenchelsamen, Liebstöckelsamen, Raukensamen, Koriandersamen, Kreuzkümmel, Anis, Petersilie, Kümmel, Sesam.

Vom Getrocknetem das folgende: Silphion-Wurzel, Minze, Bergminze, Salbei, Zypresse, Oregano, Wacholder, Zwiebel, Thymianbeeren (wahrscheinlich Ajowan), Koriander, Bertram, Zitronatzitrone, Pastinaken, Schalotte, Binsenwurzel, Dill, Poleiminze, Zyperngras, Knoblauch, Hülsenfrüchte, Majoran, Alant, Silphion, Cardamom.

Der Apicius ist das einzige vollständig erhaltene Kochbuch der antiken mediterranen Welt und stellt die bedeutendste Quelle für unser Wissen über altrömische Küche dar (siehe Zwiebel für ein wesentlich älteres Kochbuch aus Mesopotamien). Neben ein paar verstreuten Rezepten hier oder da ist jedoch vor allem noch das frühe land­wirtschaft­liche Handbuch De agricultura von Marcus Porcius Cato (2. Jhd. v. Chr.) zu erwähnen, das bodenständige aber schmackhafte Landküche anbietet, z. B. mit Silphion gewürzte Linsen. Einen Eindruck über die dekandenten Tafelsitten zu Apicius’ Zeit erhält man durch die sehr unterhalt­same Lektüre der Cena Trimalchionis (Gastmahl bei Trimalchio), einem Teil aus dem Schelmenroman­cyclus Satyricon, der dem Schön­geist und Höfling Neros Gaius Petronius Arbiter Elegantiæ (bekannt aus Quo vadis?) zugeschrieben wird. Zuletzt sei auch noch auf Vergils Gedicht moretum verwiesen, in dem die Freuden des Landlebens in Form einer würzigen Paste aus Hartkäse, rohem Knoblauch und Kräutern gepriesen werden; siehe dazu auch Weinraute.

Silphion wurde erst von den Griechen, dann von den Römern gepriesen und auch zu hohen Preisen gehandelt. Die Pflanze ließ sich nicht kultivieren; sie gedieh nur in unbesiedelten und nicht anderweitig genutzten Gebieten. Jahrhundertelang wurden die Silphionbestände als Quelle von Wohlstand sorgfältig geschützt und nach festen, erprobten Plänen beerntet; aber im ersten Jahrhundert v.Chr. wurde Silphion immer seltener, woran Überernte und Zerstörung in Kriegswirren gleichermaßen die Schuld trug. Möglicherweise hätten sich die Bestände bei rigiden Schutzbestimmungen wieder erholt, aber da das Einkommen aus dem Silphionhandel jetzt wegfiel, stiegen die Bauern auf Schafzucht um. Die Schafe vernichteten offenbar die letzten überlebenden Silphionpflanzen, wie uns Plinius berichtet: unus omnino caulis nostra memoria repertus Neroni principi missus est der einzige Stengel, der zu unseren Lebzeiten gefunden wurde, wurde zu Kaiser Nero geschickt.

Die altrömische Küche unterschied sich ganz fundamental vom heute mit der Apenninhalbinsel assoziierten Kochstil: Nudeln (pasta) waren unbekannt, Tomaten wuchsen noch nur in Amerika und auch Knoblauch erfreute sich bei weitem nicht der heutigen Beliebtheit. Lediglich das Olivenöl hatte im Mittelmeergebiet bereits die gleiche dominierende Stellung inne wie heute und wurde sowohl als Nahrungsmittel als auch als Brennstoff für Lampen verwendet.

Ferula communis: Riesenfenchelstamm
Blühender Stamm des Riesenfenchels, Ferula communis, einer möglicherweise mit dem antiken Silphion verwandten Pflanze

www2.cinet.it        © G. Gandolfo

Die alten Römer verwendeten neben teilweise auch heute noch in der italienischen Küche charakter­bestimmenden Kräutern (Liebstöckel, Sellerie, Lorbeer) und solchen, die heutzutage in der Küche kaum noch eine Rolle spielen (z. B. der bitteren Weinraute und der Poleiminze, Mentha pulegium, einer eigenartig schmeckenden entfernten Verwandten der heutigen Minzen) und dem sehr geschätzten Senf weitere Aromen, die man aus der heutigen italienischen Küche nicht kennt. Generell herrschte (für die, die es sich leisten konnten) ein Trend zu großzügig gewürzten Speisen, und die antiken Köche verwendeten oft Aromen, an die man sich aus heutiger Sicht nicht leicht gewöhnen kann; so ist beispielsweise ein Rezept von mit Rosenblüten parfumiertem Wein überliefert (oder mit Zitronenblättern als billigerer Alternative).

Liquamen, ein Nebenprodukt der Herstellung von Anchovis (fermentierten Fischen) und wahrscheinlich ähnlich den heute in Südostasien beliebten Fischsaucen (nam pla [น้ำปลา] in Thailand, nuoc mam [nước mắm] in Vietnam), war ein unentbehrlicher Bestandteil für die vielen scharfschmeckenden Saucen, die man ähnlich wie in der heutigen französischen Küche zu gekochtem Fleisch oder Meeresfrüchten reichte. Unter den aus dem Osten stammenden Gewürzen waren Kreuzkümmel und schwarzer Pfeffer sowie Ingwer am beliebtesten; langer Pfeffer wurde noch mehr geschätzt, aber sein hoher Preis und seine nur sporadische Verfügbarkeit setzte der kulinarischen Verwendung enge Grenzen. Zimt, Kassie, Gewürznelken und indische Lorbeerblätter (malobathrum, malabathrum) spielten eine kleinere Rolle, zumindest in der Küche; diese Gewürze wurden eher in der Parfumerie eingesetzt.

Noch überraschender vom heutigen Standpunkt aus war aber die Vorliebe für süßsaure oder auch nur süße und gleichzeitig pikante Gerichte und Saucen. Als Quelle von Süße diente fast ausschließlich Honig, daneben auch getrocknete Früchte (Rosinen, Datteln); Honig wurde auch zur Konservierung, sogar von Fleisch, verwendet. Umgekehrt wurden süße Speisen oft mit einem Hauch Pfeffer abgerundet (siehe auch Mohn).

Um Speisen zu säuern, kam neben Sumach vor allem Essig in Frage, da Citrusfrüchte bis auf die saftarme Zitronatzitrone (eine nahe Verwandte der Zitrone) unbekannt waren. Gerne verwendete man auch einen konzentrierten Traubensaft, der durch Einkochen von frischgepreßtem Most auf die Hälfte (caroenum) oder sogar ein Drittel (defrutum) des ursprünglichen Volumens gewonnen wurde. Eine sehr ähnliche Zubereitung (verjus) hielt sich in Frankreich bis in die Neuzeit.

Gelegentlich wird vermutet, Silphion habe überlebt und sei heute wenn auch unter anderem Namen, wieder bekannt; manche vermuten ihn in der Gattung Laserpitium (die auch danach benannt ist), andere in der Gattung Ferula, zu der auch Asant gehört. Allerdings betont Theophrastus in seiner Silphion-Beschreibung explizit, daß Silphion bebautes Land meidet: Es sei typisch für diese Pflanze

ἀεὶ συνεργαζομένης καὶ συνημερουμένης ἐξαναχωρεῖν ὡς οὐ δεομένου δῆλον ὅτι θεραπείας ἀλλ᾽ ὄντος ἀγρίου
aei synergazomenes kai synemeroumenes exanachorein hos ou deomenou delon hoti therapeias all’ ontos agriou
[Land], das unter Kultivierung gerät und gezähmt wird, immer zu verlassen, denn sie vermißt offensichtlich die [menschliche] Pflege nicht, sondern ist ein wildes Wesen.

In der heutigen Zeit haben wilde Geschöpfe keine großen Chancen. Für eine Pflanze, die in Kulturlandschaften nicht bestehen kann, erscheint ein Über­dauern im dicht­besiedelten nord­afrikanischen Küsten­streifen nicht möglich. Weiter südlich hat sich in den letzten zweitausend Jahren die Sahara ausgebreitet; sollte es dort jemals Silphion-Rückzugs­gebiete gegeben haben, dann sind sie heute vom Wüsten­sand begraben.



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