Landkarte

Im Hochtal von Kath­mandu

Das Kathmandu-Tal ist eine einzige Schatzkiste. Die Newar, die Träger der einzigen urbanen Kultur des Himalaya, haben das ganze Tal zu einem gigantischen Freilichtmuseum voller prachtvoller Tempel und Paläste ausgebaut; von der vielgerühmten Schönheit der Berge konnte ich allerdings bei meinen mittlerweile schon drei Besuchen wetterbedingt nichts sehen. Es bleiben immer noch die kulinarischen Freuden der Hauptstadt, die selbst im schmackhaften Südasien nicht ihresgleichen finden.

Das Erdbeben­jahr 2015

Nepal Earthquake 2015: Detroyed house in Asan, Kathmandu

Zerstörtes Wohnhaus in Asan

Nepal Earthquake 2015: Destroyed House in Yatkha, Kathmandu

Zerstörte Häuser in Yatkha

Nepal Earthquake 2015: Destroyed House in Yatkha, Kathmandu

Zerstörtes Haus in Yatkha

Am 25. April 2015 (11:56 Orts­zeit) er­eig­ne­te sich im Lam­jung-Distrikt (nahe Gorkha) ein star­kes Erd­beben (Bhumi­chalo) mit einer Magni­tude von ungefähr 8.0. In den näch­sten Wochen tra­ten hun­der­te Nach­beben auf, einige davon mit sehr signi­fi­kan­ter Stärke: Zuerst 34 Minuten nach dem Haupt­schlag (12:30, Stärke 6.6), denn ein wei­te­res am Tag danach wieder zur Mittags­zeit (12:54, Stärke 6.7), und zu­letzt ein un­erwar­te­ter Nach­schlag am 12. Mai um 12:50 (Stärke 7.3). Die letz­ten beiden hatten ihr Epi­zentrum viel weiter öst­lich nahe Kodari. Kleinere Stöße folgten den großen im Viertelstundetakt.

Ich befand mich zu diesem Zeit­punkt in Kath­mandu und er­lebte den ersten Schlag im vier­ten Stock des Hotels, den zweiten auf der Straße und den am Tag danach in einem Restau­rant. Für eine gute Woche gab es in der ganzen Stadt keinen Strom und kaum Was­ser, aber durch die große Ent­fer­nung zu den Epizentren (ca. 80 km nach Westen und 65 km nach Osten) war die Haupt­stadt mit einem blauen Auge davon­gekom­men. Der An­teil der kol­labier­ten Häuser dürfte etwa 1% be­tragen, auch wenn viele weitere so schwer be­schädigt worden waren, daß sie später ab­getra­gen werden mußten. Im Hotel­bezirk Thamel waren die Schäden gering.

Die Erd­beben­serie for­derte ungefähr 10000 Tote, davon rund 1000 im Kath­mandu-Tal. Wie in solchen Fäl­len üblich, be­schuldigt die Be­völke­rung die Regie­rung, die Opfer­zahlen klein­zurech­nen, was in einem Land ohne Geburts­urkunden auch sehr einfach durch­zufüh­ren ist.

Nepal Earthquake 2015: Destruction at Hanuman Dhoka (part of Durbar Square), Kathmandu

Die Zerstörung am Hanuman Dhoka war fast vollständig

Nepal Earthquake 2015: Homeless people camping next to the ruins of Basantapur Darbar (part of Durbar Square), Kathmandu

Obdachlose campieren am Basantapur Durbar

Nepal Earthquake 2015: Collapsed temple at Basantapur Durbar (part of Durbar Square), Kathmandu

Die Tempel auf Ziegelpyramiden wurden ausnahmslos zerstört

Es brauch­te gut einen Monat, bis die Infra­struk­tur in Nepal wieder be­schränkt einsatz­fähig war (der 12. Mai half dabei auch nicht weiter). Die Regie­rung übte sich in In­kompe­tenz und wollte tage­lang Import­gebüh­ren auf vom Zoll kon­fiszier­te Hilfs­güter ein­heben, danach küm­merte sie sich haupt­säch­lich darum, im all­gemei­nen Chaos die längst über­fälli­ge Ver­fas­sung durch­zu­peitschen. Die Stadt­verwal­tung in Kath­mandu war effizienter und schaffte es immer­hin, be­schädig­te Gebäude von Ex­per­ten be­gut­achten zu lassen; in weiterer Folge wurden einige abgetragen und viele andere repariert.

Kathman­du be­steht über­wiegend aus mehr­stöckigen Ziegel­bauten, die mit­einan­der ver­bunden sind. Diese Bau­weise er­wies sich als einiger­maßen effektiv und ver­hinder­te größere Zer­störun­gen; aber die isoliert von­einan­der stehenden Pracht­bauten am Durbar Square zeigten sich viel ver­wund­barer. Gut zwei Drittel der Tempel und des Palastes wurden zer­stört, der Rest größten­teils schwer beschädigt. Auch viele Besucher des Platzes (einem tra­ditio­nel­len Treff­punkt zum Plaudern für die Ein­heimi­schen) über­lebten das Beben nicht. Eine lokale Zeitung schrieb sogar, daß man unter den Trümmern auch tote Tauben ge­funden hätte; der Zu­sammen­bruch muß also extrem schnell erfolgt sein. Öst­lich des Durbar Square kamen in den Trümmern des ein­gestürz­ten Dhara­hara-Turms (auch als Bhimsen-Turm bekannt) ca. 190 Menschen ums Leben.

Die Zer­stö­rung der Kultur­güter im ganzen Kath­mandu-Tal ist sehr be­dauer­lich, aber kein ewiger Ver­lust, da die tra­ditio­nel­len Techni­ken bis heute aktiv über­lebt haben. Die Nepalesen werden in wenigen Jahren alles wieder aufgebaut haben, und zwar nicht in sklavi­scher Imitation der Kunst ihrer Vor­fahren, sondern als neue Werke im alten Stil. Das­selbe hat sich auch nach dem größeren und zer­störeri­scherem Erd­beben 1934 ab­gespielt. Das wäre nur an wenigen Orten in der Welt so möglich, aber im Kath­mandu-Tal ist nichts museal, son­dern alles sehr lebendig.

Nepal Earthquake 2015: “Kissing towers” near Thamel, Kathmandu

Diese „küssenden Türme“ an der Südgrenze von Thamel sind inzwischen abgetragen

Nepal Earthquake 2015: Closed Tourist Ticket box at Hanuman Dhoka (part of Durbar Square), Kathmandu

Die überteuerten Touristentickets wurden einen Monat lang nicht verkauft

Nepal Earthquake 2015: Destruction at Hanuman Dhoka (Part of Durbar Square), Kathmandu

Teil der Zerstörung am Hanuman Dhoka

Aus die­sem Grund ist es auch nicht sinn­voll, Nepal als Land für Kultur­touris­ten ab­zuschrei­ben. Die Aus­wahl dessen, was man sehen kann, wird ein paar Jahre ein­geschränkt bleiben, aber dafür werden Touristen um­fang­reiche Bau­arbeiten sehen können, die im wesent­lichen immer noch mit vor­industriel­len Met­hoden authen­tische Gebäude neu er­richten. Außer­halb der Haupt­plätze von Kath­mandu, Patan und Bhakta­pur sind die Zer­störun­gen ohne­hin gering, und viel­leicht kommen in Zukunft auch einige der „kleineren“ Sehens­würdig­keiten des Tales zu höheren Besucherehren.

Dasselbe gilt auch für die Trek­king-Routen, die be­reits in der Winter­saison 2015/2016 vor­läufig wieder­herge­stellt sein sollen. Das Land braucht die Ein­nahmen aus dem Touris­mus, und des­halb er­halten Aufbau­arbeiten in den Trek­king-Gebie­ten be­son­dere Priori­tät. Wäh­rend die schlecht er­reich­baren Gebiete rund um den Everest eine etwas längere Er­holungs­zeit brauchen werden, sind die Straßen im Anna­purna-Gebiet in­zwischen wieder be­fahrbar, und einem schnellen Wieder­aufbau steht nichts im Weg. Am schlech­testen sieht es für den Lang­tang-Trek aus, weil das ganze Lang­tang-Tal durch Erd­rutsche ver­wüstet wurde.

Während in den Tagen nach dem Erd­beben viele Touristen ent­weder panisch aus dem Land ge­flohen sind oder pein­licher­weise in den Gärten ihrer Bot­schaf­ten campier­ten, nor­mali­sier­te sich die Lage etwa sechs Wochen nach dem ersten Beben nähe­rungs­weise. Die meisten Hotels in Thamel wurden wieder er­öff­net, und im August waren die Straßen mit den üb­lichen Ver­däch­ti­gen wieder gut gefüllt. Die Saison 2015 ist zwar ver­loren, aber die Zukunft des Tourismus in Nepalist sub­stanziell gesichert — wenn die Touristen nicht ir­ratio­nal reagieren.


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