Landkarte
Rajgir 2 Nicht zu verwechseln mit Nalanda Gedige
Siehe auch Pokhara und Mysore 2
Hazaribagh

Nalanda नालन्दा (Bihar)

Monastery No. 11 at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

“Monastery No. 11” zeigt noch gut erkennbar die Reste der Säulen des Rundganges

Monastery No. 5 at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

Bei “Monastery No. 5” wurden zwei Wohnebenen freigelegt

Monastery No. 10 at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

Das Kloster “Monastery No. 10” mit Innenhof und Möchskammern (eine groß im Vordergrund)

Liebe Birgit,

etwa 12 km nörd­lich von Rajgir, auf der Straße nach Bihar Sharif, liegt der kleine Ort Nalanda. Noch­mals drei Kilo­meter tiefer in der Pampa trifft man auf die Ruinen des antiken Nalanda, einer bud­dhisti­schen Uni­versität, die vom 5. bis zum 13. Jahr­hundert blühte und eine inter­nationale Studenten­schaft auf ihren Campus lockte. Der Komplex besteht aus einigen Klöstern, die größten­teils in einer von Nord nach Süd orien­tierten Linie an­geordnet sind, und einigen Tempeln, deren schönster und bekanntester nahe den nörd­lichsten Klöstern steht.

Die Klöster dienten als Studenten­wohn­heime und boten auch einen Lehr­betrieb. Sie haben einen ziem­lich stan­dardi­sierten Bauplan und bestehen aus einen großen Innenhof, ein­gefaßt von einem zwei­stöckigen, vier­ecki­gen Gebäude, das fast nur aus kleinen Wohn­kammern für die Mönche besteht. Vier Reihen von meist kaum er­halte­nen Säulen zeigen, daß der Rund­gang um den Hof von einem Flach­dach be­schat­tet war; auf der freien Flache des Innen­hofes findet man meist Grund­mauern von Tempeln, ein Podest oder einen Brunnen. Links und rechts vom Eingang befanden sich zwei „Schatz­kammern“, die nach außen durch extra dicke Mauern ge­sichert waren und von innen nur durch einen langen, engen Schlurf von den ersten beiden Mönchs­kammern er­reich­bar waren; vermut­lich wurden dort wert­volle Spenden gelagert.

Entsprechend der langen Betriebs­zeit von einem halben Jahr­tausend sind die meisten Klöster „doppel­bödig“, d. h. sie wurden mehr­fach neu auf dem Schutt ihrer Vor­gänger auf­gebaut. Teil­weise hat der Archeo­logical Survey of India die ver­schie­denen Ebenen frei­gelegt; es macht Spaß, das Laby­rinth ver­schiede­ner Wohn­ebenen zu durch­streifen und meh­rere Jahr­hunderte fort­gesetzter Bau­tätig­keit gleich­zeitig zu betrachten, aber das hat natürlich nichts mit dem zeit­genössischen Er­scheinungs­bild des lebenden Klosters zu tun. Der Erhaltungs­zustand der Ziegel­bauten ist generell schlecht, und viel mehr als Grund­mauern sieht man ohnehin nicht.

Entrance stairs to Temple No. 3 at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

Aufgang zum “Temple No. 3”

Votive stupas in front of Temple No. 12 at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

Votivstupas vor dem “Temple No. 12”

Xuan Zang Memorial Hall at Nalanda, near Rajgir, Bihar (Northern India)

Die Xuan Zang Memorial Hall im Sonnenuntergang

Temple No. 3 and votive stupas at Nalanda archeological excavation site, near Rajgir, Bihar (Northern India)

“Temple No. 3” und Votivstupas

Von den Tem­peln ist der “Temple No. 3” am be­eindruckend­sten: Eine wuch­tige Ziegel­konstruk­tion mit einer schon fast aztekisch wir­ken­den, breiten Trep­pe als ein­zigem Zugang und um­geben von einem wahren Wald von kleinen Stupas, die als Votiv­gaben identi­fiziert wurden. Auch er wurde in meh­re­ren Phasen auf­gebaut und dabei nach dem Matrioshka-Prinzip ver­größert, so wie die bekannten Maya-Pyramiden. Die anderen Tempel sind kleiner und schlechter erhalten; eine beson­dere Erwäh­nung verdient nur der “Temple No. 2”, weil er von einer Galerie aus über hundert Skulpturen umgeben ist. Sonst sind Skulpturen in Nalanda leider Mangel­ware (ein paar finden sich aber auf den größeren Stupas, und noch mehr im Museum). Nicht einmal in den inneren Heilig­tümern der Tempel hat man welche gefunden, obwohl Sockel erhalten sind, die auf ziemlich große Buddha-Figuren als Kult­objekte deuten.

Über das Kloster­leben in Nalanda ist recht viel be­kannt. Die Inder haben ja keine Tradi­tion der Ge­schichts­schrei­bung, aber freund­licher­weise hat ein Chinese aus­führ­liche Be­schrei­bungen über den Betrieb von Nalanda hinter­lassen: Kein gerin­gerer als der berühmte Rei­sende Xuan Zang 玄奘 hat die Uni­versität im 7. Jahr­hundert besucht, und von ihm wissen wir, daß hier neben beiden bud­dhisti­schen Schulen (Thera­vada und Maha­yana) auch Gram­matik, Logik und Medizin unter­richtet wurden und daß die angeb­lich 10000 Studenten mit ihren Lehrern regel­mäßig intensiv debat­tierten. Xuan Zang war von West­china über Zentral­asien nach Indien ge­kommen, besuchte die wichtigen Orte des Bud­dhis­mus in Nord­indien und kam sogar bis tief in den Süden (siehe Kanchi­puram); danach kehrte er mit einer wert­vollen Sammlung indischer Schriften nach China zurück, wo er sie ins Chinesische übersetzte.

An den großen Welten­bummler erin­nert die zwei Kilo­meter südlich gele­gene Xuan Zang Memo­rial Hall, ein schönes chine­sischer Bau­werk, das die ganze Reise in Form eines riesigen Wand­gemäldes in chine­sischem Stil dar­stellt. Vor der Halle sieht man eine über­lebens­große Statue, die den antiken „Vater aller Traveller“ mit einem aus mehre­ren Modulen auf­gebauten Ruck­sack und einem Sonnen­schirm durchaus modern ausgerüstet auf der Walz zeigt.

Sacrifices during Dussehra (Durga Puja) Hindu festival at Rajgir, Bihar (Northern India)

… und sauen alles mit Opfergaben zu.

Street decoration during Dussehra (Durga Puja) Hindu festival at Rajgir, Bihar (Northern India)

Straßendeko in der Dämmerung

Mythological scene in a temporary temple (Pendal), during Dussehra (Durga Puja) Hindu festival at Rajgir, Bihar (Northern India)

In Rajgir drängen sich die Massen vor dem Pandal des Sri Panchasila Durgapuja Samiti …

In Rajgir ist übri­gens ge­ra­de der Teufel los — ge­nau­er ge­sagt, die Göt­tin, der Löwe und der Dämon werden über­all auf der Straße ge­sich­tet. Die Rede ist natürlich von Durga und ihrem schon oft er­wähn­ten Kon­flikt mit dem Dämon Mahisha (auch Mahish­asura genannt). Einmal im Jahr gibt es zu diesem An­laß ein großes Fest, das ich bereits ein­mal sehr fried­lich als Dashaim in Nepāl und sehr prächtig als Dasara in Mysore er­lebt habe; hier heißt es Durga Puja, Vijayadashami oder Dasahra (englisch meist Dussehra ge­schrie­ben) und dauert fünf Tage.

Bereits bei mei­ner An­kunft in Rajgir fiel mir auf, daß nahe dem Bus­bahnhof, gleich ne­ben einem klei­nen Durga-Tem­pel, ein großes Latten- und Bambus­gerüst gebaut wurde; später erhielt es eine Verkleidung aus grün–weißen Stoff­bahnen und die Be­schrif­tung Sri Pancha­sila Durga­puja Samiti. Am ersten Tag des Spek­takels ent­hüllte sich eine Art Bühne mit Papp­figuren, die Durga beim Dämonen­schlachten und andere Gott­heiten dar­stellen, und sofort begann der Opfer­betrieb: Gläubige konnten Süßig­keiten, rote Farbe und keimende Kokos­nüsse opfern und damit das Privileg erwerben, auf die Bühne zu steigen und sich von der mit Kamera­handy aus­gerüsteten Sippe neben der Göttin ablichten zu lassen.

Ähnliche Opfer­plätze (Pandal) waren bin­nen zwei Tagen an vie­len wei­teren Stel­len in der Stadt auf­gebaut wor­den; außer­dem wurden die Straßen mit bunten Stoff­tunneln und eben­solcher Be­leuch­tung auf­gemotzt. Verkaufs­stände mit Puja-Zubehör schossen an alle Straßen­rändern aus dem Boden, und ange­sichts der Massen von Pilgern kam der Verkehr einem Infarkt dro­hend nahe. Mit viel Hupe konnten die knappen Straßen­kapazi­täten aber doch irgend­wie zwischen Religion und Motor­verkehr auf­geteilt werden.

Entrance to Devi Sthana Mandir Temple, during Dussehra (Durga Puja) Hindu festival at Rajgir, Bihar (Northern India)

Eingang zum Sri Devi Sthan Mandir

North Indian Food: Matar Chat (boiled peas)

Erbsenbrei für Matar Chat

Durga slaying Mahisha demon, shown during Dussehra (Durga Puja) Hindu festival at Rajgir, Bihar (Northern India)

Durga beim Schlachten am Sraßenrand

Am psyche­delisch­sten wirkte der Sri Devi Sthan Mandir, der offenbar allen Aspekten der Frauen Shivas gemein­sam ge­widmet ist. Bereits bei Tages­licht ist er in seinem Zucker­rosa ein schwerer Schlag für Empfind­same, aber in der Nacht ver­wandelt er sich in in eine Art Stil-Sodom, mit leistungs­starker Be­leuch­tung in den Kom­plementär­farben Rot und Grün, unter­stützt von poly­chroma­tisch ani­mier­ten LED-Displays, die das Om-Zeichen effekt­technisch in 21. Jahr­hundert beamen. Zur opti­malen Be­schal­lung kommen mobile 1000‑PS-Laut­sprecher zum Einsatz, nämlich LKWs, deren Vorder­seite bis auf ein winziges Guck­loch für den Fahrer mit Lautsprecher­boxen zugepflastert wird.

Den gan­zen Tag sind die Leute damit be­schäf­tigt, vor den Götter­statuen Kokos­nüsse zu zer­schmet­tern, einan­der zu photo­graphieren und snackend durch die Straßen zu eilen. Der belieb­teste Snack ist Matar Chat. Während im Nord­westen unter Chat eine trockene Knabber­mischung verstanden wird, bedeutet das hier einen Erbsen-Brei, der mit zer­quetsch­ten Kar­toffel-Laib­chen (Chap) und einem Haufen Würzen (Salz, Schwarzem Vulkan­salz [Kala Namak], Kreuz­kümmel, Chili, Zwiebel und Tamarinden­wasser) vermischt und gelöffelt wird.

Indian Muslim Food: Beef curry

Rindfleisch-Curry

Indian Muslim Food: Pan-fried Kabab

Kabab, in der Pfanne gebraten

Wegen des Ge­dränges in der Stadt habe ich meine Mahl­zeiten in den letzten Tagen lieber außer­halb, in der muslimi­schen Bade­anstalt Makhdm Kund, ein­genom­men, genauer gesagt im Hotel Fir­dausiya. Wie in vielen Muslim-Freß­buden ist es dort sehr fleisch­lastig, und man bekommt kaum Gemüse, was in Indien eine ange­nehme und etwas exoti­sche Ab­wechs­lung dar­stellt. Neben dem gegrillten Sikh Kebab lernte ich auch eine in der Pfanne gebra­tene Version kennen und genoß einen fein­würzigen Rindfleisch­curry mit einer an öster­reichi­sches Gulasch erin­nernden Farbe.

Indian Muslim Food: Qima = Qeema (minced meat curry)

Qima mit halben Kichererbsen

Indian Muslim Food: Khichari (Rice and pulses gruel)

Khichari

Außer Reis und Paratha bekommt man auch Khichari, den erst kürz­lich er­wähn­ten Brei aus Reis und Hülsen­früchten (hier nahmen sie rote Linsen, Masur Dal), und zwar in seiner üb­lichen, risotto-artig flüs­sigen Form. Dabei, und auch bei allen anderen gekochten Speisen, zeigte der Koch einen Hang zu indi­schen Lorbeer­blättern.

Diese Würz­note domi­nierte auch das Qima (oder Kima), ein für die mu­slimi­sche Küche Indiens ganz typi­sches Ge­richt, von dem ich sträf­licher­weise noch nie ge­schrie­ben habe. Es ist eine Art Hack­fleisch-Curry mit der Kon­sistenz von Ragù Bolognese und wird meist aus Lamm, hier aber aus Rind her­gestellt. Die aromati­sche, muslim-typische Würzung orien­tiert sich etwas an der Zusam­men­setzung des Garam Masala: Indische Lorbeer­blätter, Zimt, Cardamom und Nelken geben den Ton an, und Chilis bleiben im Hinter­grund. Qima kann ziemlich fett sein, besonders in der Lamm­variante, aber hier war es wesent­lich wäßriger und damit magen­freund­licher; außer­dem mischte der Koch einige halbe Kicher­erbsen (Chana Dal) unter das Fleisch, und das kam bei mir ziemlich gut an.


Rajgir 2 Hazaribagh

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