Landkarte
Kumbhalgarh Siehe auch Ranakpur, Girnar, Sravanabelagola Amdavad

Mount Abu माउण्ट आबू / Abu Parvat आबू पर्वत (Rajasthan)

Nakki Jhil (Nakki Lake) in Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Tretboote am Nakki-See

Nakki Jhil (Nakki Lake) in Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Ein kleiner Schrein am Seeufer

Nakki Jhil (Nakki Lake) in Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Der Nakki Jhil

Liebe Birgit,

nach so vielen abge­legenen Sehens­würdig­keiten bin ich nun in Mount Abu, der einzigen hill station Rajasthans. Mount Abu (oder, auf Hindi, Abu Parvat) liegt auf einem isolierten Gebirgs­stock, der sich über die umgebende Halb­wüste erhebt und bis zu 1700 m erreicht; die Klein­stadt Mount Abu selbst liegt auf 1200 m.

Die Höhe merkt man: In der Nacht friere ich richtig, und selbst tags­über er­reicht die Tem­peratur gerade mal 20°C. Klar, daß die hitze­geplagten Rajasthani hier in den Sommer­monaten massiv einfallen, aber auch jetzt herrscht ein ziemlich buntes Treiben von Aus­flüglern aus Rajasthan und Gujarat. Auch ein paar westliche Touristen haben sich unter die Menge gemischt, aber sie fallen hier kaum auf.

Die Grün­de, hierher­zukommen, lassen sich relativ schnell auf­zählen: Die Um­gebung ist ein­fach lieblich. Am blauen Nakki-See kann man sich rudern lassen, Tret­boote mieten oder einfach in einem der vielen Cafés sitzen, deren kulinarisches Angebot irgendwo im Raum zwischen südindischen Snacks, leckeren Eiscrèmen (am besten: Safran–Pistazie) oder zeroth order approximations zu italienischem Espresso angesiedelt ist. Dazu kommen diverse Aussichtspunkte, die für ihre Sonnenuntergänge berühmt sind, und kleine Gärten, in denen man sich historische Kleider für bunte Familienphotos ausleihen kann.

People taking photos at Honeymoon Spot, Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Abends am Honeymoon Spot drängen sich die Massen …

Cloudy and dusty sunset at Honeymoon Spot, Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

… aber der Sonnenuntergang ist ziemlich lahm.

Indians taking family photos in historical garment, Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Familienphotos in goldbestickter Seide

Toad Rock overlooking Nakki Lake, Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Der „Krötenfels“

Indischer Urlaub spielt sich, so wie der Rest des indi­schen Lebens, vor­wiegend in der Groß­familie ab, und so sieht man vor allem ver­heira­tete Paare mit den Eltern des Mannes, die hier ihre Flitter­wochen verbringen. Die Braut muß sich ja nach der Hoch­zeit daran gewöh­nen, nicht mehr unter der Fuchtel ihrer eigenen Eltern und Brüder, sondern unter der einer fremden Familie zu stehen. Diese Regel mag heute schon ein biß­chen auf­geweicht sein, aber gilt immer noch in der Mehr­zahl der Fälle: Ein eige­ner Haus­halt für ein junges Paar ist für die Mittel­klasse ein ziem­licher Luxus, und gilt auch kaum als erstebens­wert.

Die Land­schaft rund um Mount ABu erinnert mit ihren Granit­formationen an Zentral- und Süd­indien; der soge­nannte toad rock sieht sogar wirklich wie eine Kröte aus, die gerade in den See springen will. Die steini­gen Anhöhen laden eigent­lich zum Spazieren­gehen ein, aber davon wird überall abge­raten, da es in der Umgebung Bären und Räuber geben soll. Vielleicht erzählt man den Touristen Räuberpistolen und bindet ihnen Bären auf, um das Geschäft der lokalen Guides zu befeuern, aber Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht, und so bin ich gerade einmal bis zum honeymoon spot gepilgert, der an der Nordseite des Berges liegt und von dem man einen wunderbaren Blick auf die mehr als 1000 m tiefer gelegene Ebene hätte, wenn nicht alle Konturen vom in der Luft schwebenden Wüstenstaub verwischt wären. Massen von indische Touristen kommen am späten Nachmittag dorthin, um den Sonnenuntergang zu bewundern, aber die Sonne verschwindet recht unspektakulär im Staub, lange ehe sie in die Nähe des Horizonts kommt. Trotzdem klicken überall die Kameras für Familienphotos (als Tourist wird man oft gebeten, das Bild dekorativ aufzuwerten), und so wird das Ganze eine gar nicht uninteressante Übung im Beobachten indischer Urlaubssitten.

Dilwara (Delvara) Jain Temples near Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Zugegebenermaßen: Von außen sehen die Jain-Tempel von Dilwara nicht besonders interessant aus …

Luna Vasahi Jain Temple at Dilwara (Delvara) near Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

… aber innen ist der Luna Vasahi einfach nur unglaublich.

Vimal Vasahi Jain Temple at Dilwara (Delvara) near Mount Abu (Abu Parvat), Rajasthan (India)

Im Vimal Vasahai

Trotzdem gibt es hier auch etwas wirklich Sehens­wertes: Drei Kilo­meter entfernt liegt das Örtchen Dilvara, das die schönsten Jain-Tempel Indiens beher­bergt. Wegen des Photo­verbots ist die Be­sichti­gung in gewisser Weise schmerz­lich, aber die von außen recht durch­schnitt­lich wirken­den Tempel zeigen eine so exquisite Innen­dekoration, daß man sie wirklich unbe­dingt gesehen haben muß. Mein Versuch, die Wächter am Eingang mit Unsummen (genauer gesagt: einem Wochen­budget) an Rupye zu bestechen, scheiterte kläglich an der unver­schämten und ganz un­indischen Redlich­keit, für die die Jains leider berühmt sind. Geht’s nicht ein bißchen korrupter?

Die beiden Haupt­tempel, der Vimal Vasahi und der Luna Vasahi, haben einen ein­heitlichen Bauplan aus einer Säulen­halle, einem Hof mit Säulen­rundgang (und vielen Nischen mit Stand­bildern der Tirthankaras) und einem zentralen Heiligtum. Säulen und Decke sind so exquisit bearbeitet, daß man sich im Inneren eines drei­dimensionalen Fraktals wähnt: Alles ist bis in den Millimeter­maßstab fein dekoriert, und man glaubt gerne, daß zehn­tausende von Mannjahren in jedem dieser Tempel stecken. Säulen, Bögen und Kuppeln bersten von einem unglaublichen Detail­reichtum, und im Licht der schrägen Sonnen­strahlen erweist sich der Marmor oft als etwas transluzent und schimmert wie das lebendige Fleisch einer von der Sonne beleuchteten Hand.

Am Eingang kaufte ich mir ein paar Ansichts­karten und photo­graphierte sie im weichen Licht der unter­gehenden Sonne ab, um wenigstens ein paar schlechte Bilder dieser einzig­artigen Baukunst auf die Fest­­platte zu bekommen.

Wo soviele Leute Urlaub machen, muß natürlich auch gegessen werden. Wenn Du Mount Abu von allen Hotels, Restaurants und Touristen­dienstleistern befreien könntest, dann könnte man den Rest als Nationalpark deklarieren. Allerdings sind urlaubende Inder nicht gerade kulinarisch wagemutig: So bekommt man vor allem Gujarati Thali, von dem ich Dir irgendwann einmal noch mehr erzählen werde, oder Punjabi-Küche, oder die indische Version von Chinesisch angeboten, dazu auch südindisch in allerlei Variationen, wobei im letzteren Fall die Authentizität gar nicht so schlecht ist, auch wenn der Sambar nie so richtig frisch schmeckt wie in Tamil Nadu.

An dieser Stelle ist es angebracht, einmal zu erklären, wie indische Restaurants überhaupt funktionieren. Um es in einem Satz ausdrücken: Mit viel Personal. Das Bedienungspersonal verrichtet arbeitsteilige Beschäftigungen, die vom Reinigen der Tische bis zum Servieren der Speisen offenbar mit unterschiedlichem Prestige behaftet sind. Der eine bringt die Speisekarte, der nächste (der etwas Englisch kann) nimmt die Bestellung auf, der dritte putzt den Tisch (immer erst, wenn man schon Platz genommen hat), und serviert wird dann vielleicht wieder vom zweiten. Wünscht man bei dieser Gelegenheit auch eine Serviette, dann wendet er sich an den dritten, der sie sich aus der Küche reichen läßt und zum Tisch bringt.

Vor dem Restaurant auf der Straße steht der Lästigste von allen: Der Marktschreier, der allen Passanten einen sofortigen Lunch einreden will. Bleibt man vor dem Laden stehen, dann ist man schon Opfer und wird mit erdrückender Freundlichkeit hineinkomplementiert, wenn man nicht ganz schnell auf das Restaurant am Straßenende deutet und einen vollen Bauch simuliert. Manchmal spulen die Marktschreier aber auch ganz einfach die Speisekarte bzw. einzelne Sektionen daraus ab; in Mount Abu war einer mit einem Sprachfehler geschlagen und sagte jedes Mal, wenn ich vorbei kam, sein volles Mantra auf: “Tzain food, Tzinese food, Vetz, Non-Vetz, Pantzabi food, Gutzarati thali.”

Der Wichtigste sitzt aber genau am Eingang: Das ist der Kassier. Alles, was man geliefert bekommt, landet auch sofort auf seinen Schreibunterlagen; wenn man dann hinausgeht, addiert er dann die Einzelposten im Kopf auf und nimmt das Geld entgegen. Er ist meistens der Gebildeste (muß ja auch rechnen können), und im Fall von Kommunikations­schwierigkeiten wendet man sich an ihn. For the benefit of the foreign visitor macht er dann auch einmal niedrigere Arbeiten, oder leitet sie zumindest ein.


Kumbhalgarh Amdavad

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