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Tretboote am Nakki-See
Ein kleiner Schrein am Seeufer
Der Nakki Jhil
nach so vielen abgelegenen Sehenswürdigkeiten bin ich nun in Mount Abu, der einzigen hill station Rajasthans. Mount Abu (oder, auf Hindi, Abu Parvat) liegt auf einem isolierten Gebirgsstock, der sich über die umgebende Halbwüste erhebt und bis zu
Die Höhe merkt man: In der Nacht friere ich richtig, und selbst tagsüber erreicht die Temperatur gerade mal 20°C. Klar, daß die hitzegeplagten Rajasthani hier in den Sommermonaten massiv einfallen, aber auch jetzt herrscht ein ziemlich buntes Treiben von Ausflüglern aus Rajasthan und Gujarat. Auch ein paar westliche Touristen haben sich unter die Menge gemischt, aber sie fallen hier kaum auf.
Die Gründe, hierherzukommen, lassen sich relativ schnell aufzählen: Die Umgebung ist einfach lieblich. Am blauen Nakki-See kann man sich rudern lassen, Tretboote mieten oder einfach in einem der vielen Cafés sitzen, deren kulinarisches Angebot irgendwo im Raum zwischen südindischen Snacks, leckeren Eiscrèmen (am besten: Safran–Pistazie) oder zeroth order approximations zu italienischem Espresso angesiedelt ist. Dazu kommen diverse Aussichtspunkte, die für ihre Sonnenuntergänge berühmt sind, und kleine Gärten, in denen man sich historische Kleider für bunte Familienphotos ausleihen kann.
Abends am Honeymoon Spot drängen sich die Massen …
… aber der Sonnenuntergang ist ziemlich lahm.
Familienphotos in goldbestickter Seide
Der „Krötenfels“
Indischer Urlaub spielt sich, so wie der Rest des indischen Lebens, vorwiegend in der Großfamilie ab, und so sieht man vor allem verheiratete Paare mit den Eltern des Mannes, die hier ihre Flitterwochen verbringen. Die Braut muß sich ja nach der Hochzeit daran gewöhnen, nicht mehr unter der Fuchtel ihrer eigenen Eltern und Brüder, sondern unter der einer fremden Familie zu stehen. Diese Regel mag heute schon ein bißchen aufgeweicht sein, aber gilt immer noch in der Mehrzahl der Fälle: Ein eigener Haushalt für ein junges Paar ist für die Mittelklasse ein ziemlicher Luxus, und gilt auch kaum als erstebenswert.
Die Landschaft rund um Mount ABu erinnert mit ihren Granitformationen an Zentral- und Südindien; der sogenannte toad rock sieht sogar wirklich wie eine Kröte aus, die gerade in den See springen will. Die steinigen Anhöhen laden eigentlich zum Spazierengehen ein, aber davon wird überall abgeraten, da es in der Umgebung Bären und Räuber geben soll. Vielleicht erzählt man den Touristen Räuberpistolen und bindet ihnen Bären auf, um das Geschäft der lokalen Guides zu befeuern, aber Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht, und so bin ich gerade einmal bis zum honeymoon spot gepilgert, der an der Nordseite des Berges liegt und von dem man einen wunderbaren Blick auf die mehr als
Zugegebenermaßen: Von außen sehen die Jain-Tempel von Dilwara nicht besonders interessant aus …
… aber innen ist der Luna Vasahi einfach nur unglaublich.
Im Vimal Vasahai
Trotzdem gibt es hier auch etwas wirklich Sehenswertes: Drei Kilometer entfernt liegt das Örtchen Dilvara, das die schönsten Jain-
Die beiden Haupttempel, der Vimal Vasahi und der Luna Vasahi, haben einen einheitlichen Bauplan aus einer Säulenhalle, einem Hof mit Säulenrundgang (und vielen Nischen mit Standbildern der Tirthankaras) und einem zentralen Heiligtum. Säulen und Decke sind so exquisit bearbeitet, daß man sich im Inneren eines dreidimensionalen Fraktals wähnt: Alles ist bis in den Millimetermaßstab fein dekoriert, und man glaubt gerne, daß zehntausende von Mannjahren in jedem dieser Tempel stecken. Säulen, Bögen und Kuppeln bersten von einem unglaublichen Detailreichtum, und im Licht der schrägen Sonnenstrahlen erweist sich der Marmor oft als etwas transluzent und schimmert wie das lebendige Fleisch einer von der Sonne beleuchteten Hand.
Am Eingang kaufte ich mir ein paar Ansichtskarten und photographierte sie im weichen Licht der untergehenden Sonne ab, um wenigstens ein paar schlechte Bilder dieser einzigartigen Baukunst auf die Fest­platte zu bekommen.
Wo soviele Leute Urlaub machen, muß natürlich auch gegessen werden. Wenn Du Mount Abu von allen Hotels, Restaurants und Touristendienstleistern befreien könntest, dann könnte man den Rest als Nationalpark deklarieren. Allerdings sind urlaubende Inder nicht gerade kulinarisch wagemutig: So bekommt man vor allem Gujarati Thali, von dem ich Dir irgendwann einmal noch mehr erzählen werde, oder Punjabi-Küche, oder die indische Version von Chinesisch angeboten, dazu auch südindisch in allerlei Variationen, wobei im letzteren Fall die Authentizität gar nicht so schlecht ist, auch wenn der Sambar nie so richtig frisch schmeckt wie in Tamil Nadu.
An dieser Stelle ist es angebracht, einmal zu erklären, wie indische Restaurants überhaupt funktionieren. Um es in einem Satz ausdrücken: Mit viel Personal. Das Bedienungspersonal verrichtet arbeitsteilige Beschäftigungen, die vom Reinigen der Tische bis zum Servieren der Speisen offenbar mit unterschiedlichem Prestige behaftet sind. Der eine bringt die Speisekarte, der nächste (der etwas Englisch kann) nimmt die Bestellung auf, der dritte putzt den Tisch (immer erst, wenn man schon Platz genommen hat), und serviert wird dann vielleicht wieder vom zweiten. Wünscht man bei dieser Gelegenheit auch eine Serviette, dann wendet er sich an den dritten, der sie sich aus der Küche reichen läßt und zum Tisch bringt.
Vor dem Restaurant auf der Straße steht der Lästigste von allen: Der Marktschreier, der allen Passanten einen sofortigen Lunch einreden will. Bleibt man vor dem Laden stehen, dann ist man schon Opfer und wird mit erdrückender Freundlichkeit hineinkomplementiert, wenn man nicht ganz schnell auf das Restaurant am Straßenende deutet und einen vollen Bauch simuliert. Manchmal spulen die Marktschreier aber auch ganz einfach die Speisekarte bzw. einzelne Sektionen daraus ab; in Mount Abu war einer mit einem Sprachfehler geschlagen und sagte jedes Mal, wenn ich vorbei kam, sein volles Mantra auf: “Tzain food, Tzinese food, Vetz, Non-Vetz, Pantzabi food, Gutzarati thali.”
Der Wichtigste sitzt aber genau am Eingang: Das ist der Kassier. Alles, was man geliefert bekommt, landet auch sofort auf seinen Schreibunterlagen; wenn man dann hinausgeht, addiert er dann die Einzelposten im Kopf auf und nimmt das Geld entgegen. Er ist meistens der Gebildeste (muß ja auch rechnen können), und im Fall von Kommunikationsschwierigkeiten wendet man sich an ihn. For the benefit of the foreign visitor macht er dann auch einmal niedrigere Arbeiten, oder leitet sie zumindest ein.
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