Der Himalaya beim Anflug nach Kathmandu, mit dem Shishapangma (8013 m)
Kirtipur ist voller Kunst
Buddha-Figur auf einem Marmor-Chaitya
Der Himalaya beim Anflug nach Kathmandu, mit dem Shishapangma (8013 m)
Liebe Birgit,
ich bin wieder einmal in Nepal. Nach endlosen Problemen mit dem Indien-Visum in Dhaka nahm ich den Notausgang und flog nach Kathmandu; hier kontaktierte ich die Dir bereits bekannte Lakshmi, die Göttin von Glück und Korruption; was es geholfen hat, wird man in den folgenden Briefen sehen, und was es gekostet hat, schreibe ich hier lieber nicht.
Kirtipur ist voller Kunst
Meine ersten Tage in Nepal habe ich nicht in Kathmandu verbracht, sondern in der nahen Stadt Kirtipur (Kipu). Das ist, zusammen mit Kathmandu, Patan und Bhaktapur, eine der vier historischen Newar-Städte im Kathmandu-Tal. Trotz seiner Nähe zur Hauptstadt erhält dieser Ort nur wenige Besucher; daher ist er auch gar nicht darauf eingerichtet und bietet nur eine einzige und ziemlich hochpreisige Übernachtungsoption. Andererseits wäre es falsch, Kirtipur als „verschlafen“ zu titulieren; dafür sorgt schon allein der Campus der Tribhuwan-Universität, der genau zwischen den beiden Städten liegt und der Kirtipur einen Schwall gebildeter junger Leute beschert (die Universität hat fast eineinhalb Lakh Studenten).
Kirtipur liegt auf dem 1400 m hohen Kamm einer kleinen Hügelkette und bietet daher herrliche Ausblicke: In Nordrichtung über die urbane Wüste von Kathmandu (man hat einen schönen Blick auf den Tempel von Swayambunath) und die Himalaya-Ketten dahinter; in der Südrichtung ist das Hügelland dagegen nur dünn besiedelt und wirkt geradezu idyllisch.
Buddha-Figur auf einem Marmor-Chaitya
Stupas im Jagatpal Vihar
Stupas im Jagatpal Vihar
Wie viele der im steilen Gelände errichteten Newar-Städte wird es auch in Kirtipur umso traditioneller, je weiter man sich von unten nach oben bewegt: Während es unten hupt und staubt, sind die oberen „Etagen“ von Kirtipur frei von Motorverkehr und bieten bestes Newar-Ambiente in einer sehr entschleunigten Atmosphäre. Die Stadt wirkt sehr traditionell und fast dörflich, was sicher auch darin begründet ist, daß kein Marktviertel gibt und der Stadt daher jeder kosmopolitische Faktor fehlt, ganz anders als im bunt gemischten Kathmandu. Die Newar-Kultur ist hier noch soweit intakt, daß die lokale Sprache Nepālbhasa (von Anderssprachigen oft auch Newari genannt) wirklich noch ganz alltäglich verwendet wird. Diese Sprache ist übrigens mit Nepali ganz und gar nicht verwandt, sondern gehört in die sino–tibetische Sprachfamilie, wo sie eine recht isolierte Position einnimmt; durch langen Kontakt mit indischer Sanskrit-Literatur hat sie viele indo–europäische Elemente aufgenommen und sogar Flexionsformen ausgebildet.
Stupas im Jagatpal Vihar
Der Baghbhairab Mandir
Musikanten morgens im „Tiger-Bhairab-Tempel“
Folgt man den verkehrsberuhigten Kopfsteinpflasterstraßen, so erblickt man schöne Ziegelhäuser mit Holzbalkonen, und zwischendurch trifft man auf kleinere oder größere Stupas, Statuen, Tempel und Klosteranlagen. Von den buddhistischen Klöstern ist das Jagatpal Vihar (oder Chilancho Vihar) am schönsten; es liegt auf einer Kuppe mit prächtiger Aussicht nach Kathmandu. Kern der Anlage ist eine Kollektion von mehreren Stupas, die in der klaren Gebirgssonne schneeweiß glitzern: Um einen großen Stupa mit quadratischem Sockel gruppieren sich vier weitere kleinere in der Verlängerung der Diagonalen; diese bilden also ein äußeres Quadrat, auf dessen Seitenmittelpunkten weitere, noch kleinere Stupas stehen. Das Klostergebäude selbst stand nicht zur Besichtigung offen.
Der Baghbhairab Mandir
Musikanten morgens im „Tiger-Bhairab-Tempel“
Der Baghbhairab Mandir
Zwei große Hindu-Tempel lohnen eine Beschreibung: Der größere der beiden ist der Baghbhairab Mandir, in dem der im ganzen Himalaya beliebte Bhairab, eine schreckliche Form von Shiva, verehrt wird; als ob das noch nicht furchterregend genug wäre, hat er in diesem Tempel sogar noch Tigergestalt. Der mehrstöckige und ziemlich wuchtige Tempel steht in einem großen Innenhof und ist ganztägig gut besucht; am Morgen spielt ein Orchester stundenlang meditative bis schwungvolle Melodien.
Der Uma Maheswor Mandir
Elefanten vor dem Umamaheswor-Tempel
Was hat der Elefant in seinem Rüssel?
Viel kleiner und nicht so protzig, aber dafür noch schöner ist der Uma Maheshwar Mandir, der am höchsten Punkt der Stadt auf einer mehrstufigen Plattform thront. Seine drei Pagodendächer erheben sich majestätisch über die Stadt, und der Ausblick in alle Richtungen raubt den Atem.
Der Uma Maheswor Mandir
Elefanten vor dem Umamaheswor-Tempel
Erotische Holzarbeiten am Uma Maheshwar Mandir
Was hat der Elefant in seinem Rüssel?
Der einzige Aufgang liegt ostseitig und wird von zwei steinernen Elefanten mit Reitern bewacht; der Rücken der Dickhäuter ist mit Metallspitzen gegen die überall herumsitzenden (und heftig stoffwechselnden) Tauben geschützt. Der nördliche Elefant trägt übrigens etwas im Rüssel, was verdächtig an eine Sitaphala erinnert (andere würden vielleicht „Maiskolben“, „Ananas“ oder „Pinienzapfen“ sagen). Die Dachstreben sind, wie schon oft beschrieben, mit erotischen Schnitzereien geschmückt, von denen ich Dir zwei auf einem zusammenmontierten Photo zeige.
Erotische Holzarbeiten am Uma Maheshwar Mandir
Kirtipuri beim Knoblauchschälen
Newar-Essen und Tee im Löwenbräu-Bierglas
Kirtipuri beim Knoblauchschälen
Abgsehen von diesen beiden Prachttempeln findet man natürlich an jeder Straßenecke irgendetwas Kunstfertiges: Detailreich geschnitzte Holzbalkone, Steinreliefs verschiedener Hindu-Götter (Ganesha scheint am beliebtesten) und knapp mannshohe Stupas von Chaitya-Typ mit spitzer Grundform und vier Buddhafiguren, von denen die nördliche wegen ihrer Schlangenhaube am photogensten ist, aber leider immer das wenigste Licht abbekommt. Die Einwohner Kirtipurs gehören der gemütlichen Fraktion an und sitzen den ganzen Tag am Straßenrand, auf den Holzstufen verschiedener Läden oder in der Kneipe (Khaja Ghar); manche gehen auch in aller Öffentlichkeit haushaltlichen Tätigkeiten nach, wie Wäschewaschen oder Knoblauchschälen (die „tolle Knolle“ scheint gerade Saison zu haben, jedenfalls riecht man sie auf Schritt und Tritt).
Kirtipuri beim Knoblauchschälen
Newar-Essen und Tee im Löwenbräu-Bierglas
Bockshornkleesprossen
Rohes Büffelhack (Kochila)
Newar-Essen und Tee im Löwenbräu-Bierglas
Natürlich kann man in Kirtipur auch gutes Newar-Essen genießen. Allerdings vermische ich in diesem Bericht die kulinarischen Erfolgserlebnisse von Kirtipur mit denen von Kathmandu; wahrscheinlich ist es ohnehin nur Zufall, was mir wo auf dem Teller landete, denn die Newar-Küche des Kathmandu-Tales erscheint mir nach allen bisherigen Erfahrungen ohnehin recht homogen, und in Kathmandu hat man definitiv die größte Bandbreite. Aus Kirtipur bleibt mit vor allem eine Mahlzeit in Erinnerung: Das Essen aus Chiura, Choila und Konsorten war gut aber nicht weiter bemerkenswert, aber wie der Wirt zu dem Münchner Bierglas gekommen war, in dem er mir meinen Tee servierte, hätte ich doch gerne gewußt.
Bockshornkleesprossen
Wie schon bei meinen letzten Besuchen fiel mir auf, daß der Gemüsesalat Achar stark mit der Jahreszeit variiert; diesmal dominierten Wurzelgemüse in gestiftelter Form, und beim Bockshornklee war man etwas zurückhaltender. Dafür lernte ich den Bockshornklee noch in einer weiteren Form kennen, nämlich als Salat aus Keimlingen. Bereits letztes Mal hatte ich von einer Suppe aus Bockhornkleekeimlingen berichtet, und diesmal bekam ich sie als Salat mit einer ähnlichen Geschmacksnote wie Achar. Eigenartigerweise scheint es dafür keine Rezeptnamen zu geben, denn wenn man sich nach dem Namen des Gerichtes erkundigt, hört man immer nur “Methi” oder “Mi” (also „Bockshornklee“), je nachdem, ob die Leute nun Nepali oder Nepal Bhasa sprechen.
Rohes Büffelhack (Kochila)
Viele der kalten Newar-Speisen werden mit einem aromatischen Öl gewürzt, das im Aroma an chinesisches dunkles Sesamöl erinnert; es handelt sich aber um Senföl aus gerösteten Senfsamen (Bhuteko Tori ko Tel). Es ist tief dunkelbraun, fast schon schwarz, gefärbt und riecht intensiv brenzig; sowohl in er Farbe als auch in der Aromadichte kann es sich schon fast mit steirischem Kürbiskernöl messen (natürlich ohne den schillernden Grün-Effekt). Dieses Öl wird beispielsweise für meinen besonderen Liebling Choila (gebratenes Büffelfleisch mit vielen Gewürzen) und für das an Beefsteak Tartar erinnernde Kochila verwendet; letzteres wird zwar raffiniert aber zurückhaltend gewürzt, und daher kommt das Ölaroma besonders gut zur Geltung. Das ist wohl auch eine jeder Zutaten, die außerhalb Neals so gut wie nicht erhältlich sind.
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