Auf Touris spezialisierter Sadhu in Thamel
Hochzeitsmusikanten
Markt für irdene Gefäße in Bhedasing
Ganesha-Schrein in Dhalko
Auf Touris spezialisierter Sadhu in Thamel
Liebe Birgit,
mittlerweile bin ich nach der kargen Schönheit der östlichen Gebirgsorte wieder im reichen, prallen Leben der Hauptstadt Kathmandu angekommen. Eineinhalb Jahre ist es nun schon her, daß ich von hier wieder zurück nach Indien aufgebrochen bin; und da fragt man sich natürlich: Was ist gleich geblieben, was ist besser geworden, und was hat sich zum Schlechteren verändert?
Ganesha-Schrein in Dhalko
Hochzeitsmusikanten
Ich kam nach einer selbst für südasiatische Verhältnisse abscheulich engen Busfahrt im frühen Morgengrauen an und brauchte einige Zeit, um von dem mir unbekannten Endpunkt des Busses den Weg in des Travellerghetto Thamel zu finden. So frühmorgens bin ich sonst nur selten auf den Beinen, und so beobachtete ich interessiert das rege Treiben um die kleinen Tempel an jeder Straßenecke, während ich vom Ratna Park, dem Knotenpunkt des städtischen Bussystems, über Asan Tole, Tyoda und Thahiti nach Thamel spazierte. Diese Namen stehen für sehr kleine „Nachbarschaften“, das heißt eine längere Straße oder einen kleinen Platz mit ein paar Gassen rundherum. Sie dienen vor allem als Adressangaben und sind deshalb peinlich genau auf jedem Geschäftsschild aufgemalt; daher weiß man immer, wo man gerade ist.
Markt für irdene Gefäße in Bhedasing
In meinem Hotel erkannte man mich sofort wieder und gab mir ohne jede Verhandlung ein Zimmer zum alten Preis; offenbar erinnerte sich der freundliche Rai an der Rezeption gut an meine ganz überdurchschnittlich langen Aufenthalte, denn andere zahlen mehr. Es ist übrigens gerade Nebensaison; warum, kann ich allerdings nicht sagen, weil des Wetter hier im Kathmandu-Tal eigentlich sehr angenehm sonnig–warm ist; aber die Touristenmassen werden erst in einem Monat erwartet, und so sind die von Souvenirshops, Trekking-Ausrüstern, Reisebüros und natürlich Restaurants gesäumten Gassen in Thamel noch ziemlich leer. Im Photo-Laden gleich eben dem Hotel, in dem ich letztes Mal ein neues Objektiv gekauft hatte, wurde ich auch gleich wieder erkannt, und der unterbeschäftigte Besitzer unterhielt sich lang mit mir über meine Reiseerlebnisse. Auch in meinen Stammkneipen konnte ich das bewundernswerte Personengedächtnis der Leute bestaunen — ich merke mir von den Gesichtern ja meistens nur, wieviele Augen sie haben.
Ganesha-Schrein in Dhalko
Tibetischer Neujahrestanz in Bauddhanath
Tibetische Sängerin
Die Internet-Cafés haben sich nun zu einem Kartell mit einheitlich gestalteten Preisschildern zusammengeschlossen: Sie verlangen für die Stunde mittlerweile 100 Rs, also halb soviel, wie mein Hotelzimmer mit WC für einen Tag kostet. Begründet wird der Preisanstieg übrigens wenig überzeugend mit der problematischen Stromversorgung: Pro Tag gibt es höchstens zehn Stunden Strom (meist ein paar Stunden rund um Mitternacht, und dann noch am Vor- oder Nachmittag), und wer keinen Generator hat, ist in der Tat ein armes Schwein und nur ein paar Stunden pro Tag geschäftsfähig. Angeblich verkauft die Regierung Strom an Indien, und da bleibt im wasserarmen Winter eben nicht genug für den Eigenbedarf: Devisen gehen vor, und wahrscheinlich ist auch noch viel Provision (sprich: Bakschisch) im Spiel. Als Erklärung für das Raubrittertum in den Internet-Cafés scheidet die Strommisere aber vollständig aus, weil ich in den Nachbarbezirken wie seit eh und je um 20 bis 30 Rs surfen kann.
Tibetischer Neujahrestanz in Bauddhanath
Tibetische Sängerin
Beim Feuertopf 火锅 kommt es auf Abwechslungsreichtum an
Nepal hat unzählige verschiedene Kalender parallel in Verwendung: Der gregorianische und der traditionell nepalische haben offizielle Funktion, aber daneben zählt jede ethnische Minderheit die Jahre nach eigener Art, und die wenigen Moslems machen es natürlich wieder anders. Einige Tage nach meiner Ankunft stand das tibetische Neujahresfest Losar (auf Nepali Lochar genannt) an, und da machte ich mich zum größten tibetischen Kultplatz des Tales auf: Bodhnath, von dem ich schon einmal berichtet habe. Dort umwandelte ich den prachtvollen Stupa und fand zwar keine richtige Neujahresfestivität, kam aber doch zu einem Tanzfest mit meist jugendlichen Tänzern, die auf einer großen Bühne in äußerst photogenen Kostümen das Jahr des Hasen begrüßten.
Beim Feuertopf 火锅 kommt es auf Abwechslungsreichtum an
Die feurige Brühe 红汤鹵
凉拌猪耳朵, kalte Schweineohren
水煮肉, in Wasser gekochtes Schwein
Das tibetische Neujahresfest fällt ja fast genau mit dem chinesischen (Chun jie 春节) zusammen, und das hatte Auswirkungen: Das Chengdu Hotel, meine bevorzugte Quelle für chinesische Schärfe, war plötzlich gerammelt voll, und ich (als einzige Ausländer im Raum) wurde an einen vollen Tisch gebeten, wo sich eine Zehnergruppe junger chinesischer Männer sich gerade dem Huo Guo 火锅 hingab. Dieses festliche Gemeinschaftsessen , bei uns meist als „Feuertopf“ oder „chinesisches Fondue“ bekannt, besteht aus einem großen Topf, in dem gemeinsam oder individuell kleine Stücke von Fleisch oder Gemüse gegart werden, die man dann mit einem pikanten Knoblauchöl aber ohne Reis verzehrt. Klarerweise nahm ich die Einladung gerne an und schlemmte mich durch mehrere kalte Vorspeisen, ehe der qualmende Topf in der Mitte des Tisches zu seinem Recht kam. Von den Vorspeisen blieb mir besonders Liangban Zhu-Er Duo 凉拌猪耳朵 in Erinnerung, das sind pikant mit Knoblauch, Chili und Sichuanpfeffer marinierte Schweineohren. Das erinnerte mich daran, daß man ja auch in Österreich zu Silvester Sauschädel ißt.
回锅肉, doppelt gebratenes Schwein
水煮肉, in Wasser gekochtes Schwein
凉拌猪耳朵, kalte Schweineohren
回锅肉, doppelt gebratenes Schwein
Auch sonst hat das Chengdu Hotel seine Anziehungskraft auf mich nicht verloren. Meine diversen chinesischen Lieblingsspeisen werden hier großartig zubereitet; gleich am ersten Tag wollte ich meine Rückkehr nach Kathmandu mit einem großen Topf Shuizhu niurou 水煮牛肉 feiern, der bekannt höllisch scharfen Brühe mit Büffelfleisch und Gemüseeinlage. Allerdings gab es auf der Speisekarte nur eine Variante mit mageren Schweinefleisch, die mir keinen Deut schlechter schmeckte. Außerdem hegt der neue Koch im Hotel offenbar eine ziemliche Leidenschaft für die „Stinkende Rose“, und so schwamm auf der mit dunkelrotem Chili-Öl überschichteten Brühe auch noch ein guter Eßlöffel kleingehackter und ganz kurz angebratener Knoblauch. Schlimmeres soll mir nicht passieren.
回锅肉, doppelt gebratenes Schwein
回锅腊肉, doppelt gebratenes Pökelschwein
盐煎肉, Schwein mit Salz
香腸, aromatische Wurst
Unter den Neuzugängen auf der Karte fand ich sehr rasch einen neuen Liebling: Huiguo Larou 回锅腊肉. Bekanntlich ist Huiguo Rou 回锅肉 das „doppelt gebratene Schweinefleisch“, das man in deutschen Restaurants häufig auf der Speisekarte, aber nur ganz selten am Teller findet; es sollte aus dünnen Scheiben von vorgekochtem Schweinebauch bestehen, die mit fermentierten Bohnen, Gewürzen und Gemüsen rasch gewokt werden. Die Extrasilbe La 腊 bedeutet „getrocknet, konserviert“ (nicht zu verwechseln mit dem gleich ausgesprochenen La 辣 „scharf“), und somit handelt es sich um angebrateten gepökelten Schweinespeck, dessen salziges und zugleich deftiges–rustikales Aroma durch viel Chili, Sichuanpfeffer und Fermentationsaromen sehr gut ausgeglichen wird. Natürlich besteht der Speck zu fünfzig Prozent aus Fett und illustriert daher prächtig, was am Mythos von der „leichten asiatschen Küche“ dran ist: Nicht viel.
盐煎肉, Schwein mit Salz
香腸, aromatische Wurst
麻辣子鸡丁, scharfes trockenes Huhn
孜然羊肉, Lamm mit Kreuzkümmel
Wer sein Schwein lieber magerer genießen will, ist mit Yan Jian Rou 盐煎肉, dem „mit Salz gebratenen Fleisch“ besser beraten: Das ist ein schnell gewoktes Gericht aus Scheiben von magerem Schweinefleisch mit Gemüse (vor allem Knoblauchgrün) und nur sanften Chili-Mengen; es schmeckt folglich mehr nach Röstaromen als nach Schärfe. Schwein ist auch das Ausgangsmaterial von Xiang Chang 香腸, der „duftenden Wurst“, die scharf angebraten warm serviert wird; sie ist kräftig gewürzt und sehr aromatisch, aber leider auch ziemlich fett. Und natürlich kann man sich auch an ein Huhn wagen: Ich empfehle Xiang Laji Kuai 香辣鸡块, was ich mir als „duftendes scharfes Hühnerfleisch, trocken gebraten“ zusammenreime. Dabei handelte es sich um eine Variante des bekannten Mala Zi Ji Ding 麻辣子鸡丁, also zusammen mit Unmengen von Chili und Sichuanpfeffer frittierten Hühnerwürfeln, aber durch Zugabe verschiedener, ebenfalls trocken gebratener Gemüse nahm das Gericht einen etwas magenfreundlicheren Charakter an.
孜然羊肉, Lamm mit Kreuzkümmel
Zuletzt versuchte ich auch noch eine Spezialität, von der ich oft gehört habe, die ich aber noch zwischen die Stäbchen bekommen hatte: Zi-ran Yang-rou 孜然羊肉, das „Lammfleisch mit Kreuzkümmel“, bietet die seltene Gelegenheit, das indische Charaktergewürz Kreuzkümmel in einem chinesischen Kontext zu erleben. Hat sich gelohnt!
Wenn Dir das alles zu fleischlastig ist, dann warte einfach auf die nächste Woche, da erzähle ich Dir nämlich auch etwas von chinesischen Gemüsespeisen — denn ich bleibe natürlich noch eine Zeitlang in Thamel, um mehr in Kathmandu und Umgebung zu sehen.
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