Gagelstrauch in Blüte |
Steriler Gagelstrauch |
Gagel mit abgeblühten männlichen Blüten |
Gagel spielt in der heutigen Küche kaum noch eine Rolle, obwohl man sie in altertümlichen Rezepten aus Nordfrankreich, Schweden und Britannien gelegentlich noch findet. In der Vergangenheit boten die duftenden Blätter jedoch auch jenen, die sich teure importierte Gewürze nicht leisten konnten, eine Möglichkeit, ihre tägliche Nahrung zu verfeinern. Entsprechend wurden sie von der Landbevölkerung Mittel- und Nordeuropas gerne genutzt.
Ähnlich wie Lorbeerblätter, für die sie oft eine interessante Alternative darstellen, soll man Gagelblätter ganz verwenden, in Suppen oder Saucen mitziehen lassen und vor dem Servieren entfernen: So kann man Aroma, aber keinen bitteren Geschmack in die Speise bringen. Ich finde Gagel eine nützliche Zutat für Gemüseeintöpfe und gekochte Hülsenfrüchten; für Fleischspeisen ist das Gewürz weniger geeignet.
Die größere historische Bedeutung hatte Gagel aber nicht
zum Kochen, sondern zum Würzen von Bieren.
Bereits im Mittelalter wurde in Mitteleuropa viel Bier gebraut; Hopfen
(Humulus lupulus) als
Bierwürze hatte dabei aber nicht die heutige dominierende Stellung inne.
Stattdessen griffen die Brauer zu einer
Vielzahl anderer pflanzlicher Aromatika, von denen Gagel eines der billigsten
und daher gebräuchlichsten war. Die Biervielfalt erreichte in der
frühen Neuzeit auf den britischen Inseln ihr Maximum.
Bier wurde mit einer Mischung von Kräutern (gruit,
grut) gewürzt, wobei nicht nur der Geschmack, sondern auch die
Haltbarkeit verbessert wird. Um die euphorisierende
Wirkung des Alkohols zu unterstützen, fanden im Mittelalter auch
Giftpflanzen (Hexenkräuter
) Verwendung, wie etwa Bilsenkraut
(Hyoscyamus niger), das Alkaloide der Atropin-Gruppe enthält und auch ein hervorragendes
Konservierungsmittel ist.
In der Neuzeit kam man von solchen Zusätzen wieder ab, da die verbesserte
Hygiene bei der Herstellung sie weitgehend überflüssig machte.
Gagel besitzt (wenn überhaupt) nur milde psychoaktive Eigenschaften und
ist erheblich weniger gefährlich als Bilsenkraut.
Männliche Gagelblüten |
Unreife Gagelfrüchte |
Die gruit eines Brauers im 16. und 17. Jahrhundert enthielt eine breite Palette an Pflanzen: Teure asiatische Gewürze für die, die es sich leisten können (Ingwer, Gewürznelken, Galgant, Zimt, Muskat und sogar indische Lorbeerblätter), billigere Importe (Paradieskörner, Koriander, Süßholz) und einheimische Kräuter für weniger finanzstarke Kunden (Fenchel, Pfefferminze, Wacholder, Rosmarin und Gagel).
Hopfen besitzt überragende Konservierungseigenschaften, die ein Bier lange haltbar machen; aber der wilde Hopfen schmeckt sehr bitter. Als jedoch im 18. Jahrhundert neue, weniger bittere Hopfensorten (Abbot) gezüchtet wurden, setzten sich diese rasch gegen die alten Kräuter durch.
Bierspezialitäten mit Gewürzen statt Hopfen werden heute kaum noch
kommerziell hergestellt, da den Biertrinkern beigebracht wurde, Bier
mit
Hopfen
zu assoziieren (vgl. auch das deutsche Reinheitsgebot
von 1516);
aber das Bierbrauen daheim erfreut sich wieder steigender Beliebtheit, nicht
nur unter Mittelalter-Freaks. Unter heutigen Heimbrauern sind Orangenschale (besonders von der karibischen curação-