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Gagel (Myrica gale L.)

Synonyme

botanischGale palustris
pharmazeutischHerba Myrti Rabanitini
DänischPorse, Mose-pors
DeutschSumpfmyrte, Gagelstrauch
Englisch(Sweet) gale, Candle berry, Bog myrtle
EstnischHarilik porss, Porss, Lutikarohi, Murdid, Soo kaerad, Rabaumalad
FinnischSuomyrtti
FranzösischGalè odorant, Myrique, Myrique baumier, Piment royal, Myrte des marais; Bois-sent-born (Kanada)
GälischRideag
GriechischΜυρτιά κολλώδης
Mirtia kollodis, Myrtia kollodis
Hebräischמיריקה מיצנפתית
Mirika miznafit
IsländischMjaðarlyng
ItalienischMirica
Japanisch谷地柳
やちやなぎ
ヤチヤナギ
Yachtiyanagi
Jiddischװאַקס־הדס, זומפּיקער װאַקס־הדס
Sumpigker vaks-hodes; Vaks-hodes (Myrica cerifera)
KasachischБалсірі
Balsipi
LettischPurvmirtes
LitauischPajūrinis sotvaras
NiederländischGagel
NorwegischPors
PolnischWoskownica europejska
PortugiesischSamouco-do-brabantei; Alecrim-do-norte (Brasilien)
RussischВосковница, Датский мирт
Voskovnitsa, Datski mirt
SchwedischPors
SerbischВосковац
Voskovac
SlowakischVoskovník obyčajný
SpanischMirto holandés, Mirto de Brabante
TschechischVoskovník
UngarischFenyérmirtusz, Mirikacserje, Viaszbogyó
Walisischhelygen Fair
Myrica gale/cerifera/pensylvanica: Gagel-Blätter
Frische Gagelblätter; von links nach rechts M. gale, M. cerifera und M. pensylvanica
Myrica pensylvanica/gale: Gagelblatt
Getrocknete Gagelblätter: Links M. gale, rechts M. pensylvanica
Verwendeter Pflanzenteil

Blätter, meist ge­trock­net ver­wendet. Gagel­blätter sind dicht mit Öl­drüsen be­deckt, die im neben­stehenden Bild der ge­trock­neten Blätter als körnige Struk­turen er­schei­nen; tat­säch­lich handelt es sich dabei jedoch um einen Arte­fakt des Scanners, und dem Auge er­schei­nen die Blätter eher glänzend braun.

Die größeren Blätter der verwandten Arten M. ceri­fera und M. pen­sylvani­ca sind eben­falls als Gewürz brauch­bar, auch wenn mir über eine tradi­tionelle Ver­wendung nichts bekannt ist.

Pflanzenfamilie

Myricaceae (Gagel­gewächse)

Geruch und Geschmack

Der Geruch ist aromatisch und angenehm; er verstärkt sich beim Trocknen. Der Geschmack ist ebenfalls aromatisch, aber auch ziem­lich herb und bitter (siehe dazu auch Zitwer).

Myrica gale: Gagelstrauch, weibliche Blüten
Weibliche Gagelblüten
Myrica gale: Gagelstrauch, männliche Blüten
Männliche Gagelblüten

In meiner Nase hat M. gale einen sehr reinen Geruch, während M. cerifera stechende, eucalyptus­ähnliche Kom­ponenten aufweist. Beson­ders angenehm riecht M. pen­sylvanica mit leicht citrus­artigen Noten.

Inhaltsstoffe   

Gagel­blätter ent­hal­ten bis zu 1% eines terpen­reichen ätheri­schen Öls mit wech­selnder Zusammen­setzung. Haupt­bestand­teile sind α-Pinen, 1,8-Cineol, Myrcen und Limonen; in kleineren Mengen treten β-Cadinen, 11-Seli­nen-4-ol, β-Ter­pinen, p-Cymen, Caryo­phyllen, 4,11-Selina­dien, β-Ele­menon, Germ­acron und an­dere auf.

Angeblich ent­halten Gagel­blätter auch giftige Flavon­glycoside. Weiters finden sich in der Gagel wie an fast allen Vertretern der Unterklasse Hamamelididae große Mengen an Gerbstoffen.

Herkunft

Gagel und seine Ver­wandten wachsen an nährstoff­armen Feucht­standorten vom nörd­lichen Europa über Asien bis Nord­amerika. Ehemals eine häufige Pflanze, ist Gagel wegen des Ver­schwindens der Moore heute selten geworden und in einigen Ländern bedroht.

In den USA findet sich auch eine eng verwandte Art, Myrica pensylvanica.

Etymologie

Gagel ist ein altes Wort un­bekann­ter Etymologie. Damit ver­wandt sind englisch gale (alt­englisch gagel) und franzö­sisch galè.

Der englische Name candle berry Kerzen­beere erinnert daran, daß aus den Früchten von M. cerifera ein duftendes Wachs gewonnen wurde, aus dem auch Kerzen her­gestellt wurden.

Myrica gale: Gagelzweig
Gagelzweig
Myrica pensylvanica: Bayberry
Weibliche Blüten von M. pensylvanica
Myrica gale: Junge Früchte der Gagel
Unreife Gagelfrüchte

Der wissenschaft­liche Pflanzen­name Myrica geht auf grie­chisch myrike [μυρίκη] Tamariske zurück (z. B. Tamarix tetrandra), auch wenn mir der Zusammen­hang zwischen den beisen aromatischen Sträuchern nicht klar ist. Mög­licher­weise besteht auch eine Beziehung zu myron [μύρον] Balsam (siehe auch Muskat).

Viele Volksnamen benennen Gagel nach der Myrte, oft mit klärenden Ad­jektiven, die sich auf den Lebens­raum oder die geo­graphische Ver­breitung beziehen: Ein Beispiel zu ersterem ist englisch bog myrtle Sumpf­myrte; zweiteres Motiv findet man in russisch datski mirt [датский мирт] dänische Myrte und den spanischen Namen mirto holandés holländische Myrte und mirto de Brabante unter Bezug auf die belgische Provinz Brabant. Diese Regionen sind für nährstoff­arme Küsten­ebenen bekannt, in denen Gagel gedeiht (oder das zumindest früher tat).

Eine Variation dieses Motivs durch Vergleich mit einem anderen aromatischen Strauch ist portugiesisch alecrim-do-norte Rosmarin des Nordens (dieser Name bezeichnet auch den Mönchspfeffer).

Norwegisch pors und verwandte Namen in anderen skandi­navischen Sprachen sind schwierig zu erklären; wahr­schein­lich gehen sie auf einen vor-indo­europäi­schen Pflanze­nnamen Nord­europas zurück. Im Deutschen bezeichnet der Name Porst oder Sumpf­porst die Pflanze Ledum palustre (Familie Ericaceae, daher trotz des volks­tümlichen Namens Wilder Rosmarin nicht mit Rosmarin verwandt). Der aromatische Porst wächst ebenfalls in nährstoff­armen Sümpfen und wurde in der Vergangen­heit trotz seiner leichten Giftigkeit zum Bier­brauen verwendet.

Ausgewählte Links

Gruit — Historic Beer of Choice in the Modern Age Oxford Bottled Beer Database Dictionary of Beer


Myrica gale: Gagelstrauch in Blüte
Gagelstrauch in Blüte
Myrica gale: Gagelstrauch mit Blättern
Steriler Gagelstrauch
Myrica gale: Gagelstrauch
Gagel mit abgeblühten männlichen Blüten

Gagel spielt in der heuti­gen Küche kaum noch eine Rolle, ob­wohl man sie in alter­­tüm­lichen Rezepten aus Nord­frankreich, Schweden und Britan­nien ge­legent­lich noch findet. In der Ver­gangen­heit boten die duf­tenden Blätter jedoch auch jenen, die sich teure impor­tierte Gewürze nicht leisten konnten, eine Mög­lich­keit, ihre täg­liche Nahrung zu ver­feinern. Ent­sprechend wurden sie von der Land­bevölke­rung Mittel- und Nord­europas gerne genutzt.

Ähnlich wie Lorbeer­blätter, für die sie oft eine inter­essante Alter­native dar­stellen, soll man Gagel­blätter ganz ver­wenden, in Suppen oder Saucen mit­ziehen lassen und vor dem Ser­vieren ent­fernen: So kann man Aroma, aber keinen bit­teren Geschmack in die Speise bringen. Ich finde Gagel eine nütz­liche Zutat für Gemüse­eintöpfe und gekochte Hülsen­früchten; für Fleisch­speisen ist das Gewürz weniger geeignet.

Die größere historische Bedeutung hatte Gagel aber nicht zum Kochen, sondern zum Würzen von Bieren. Bereits im Mittel­alter wurde in Mittel­europa viel Bier gebraut; Hopfen (Humulus lupulus) als Bier­würze hatte dabei aber nicht die heutige domi­nierende Stellung inne. Statt­dessen griffen die Brauer zu einer Viel­zahl anderer pflanz­licher Aromatika, von denen Gagel eines der billigsten und daher gebräuch­lichsten war. Die Bier­vielfalt erreichte in der frühen Neuzeit auf den britischen Inseln ihr Maximum.

Bier wurde mit einer Mi­schung von Kräutern (gruit, grut) ge­würzt, wobei nicht nur der Ge­schmack, sondern auch die Haltbar­keit ver­bessert wird. Um die eu­phori­sierende Wirkung des Alkohols zu unter­stützen, fanden im Mittel­alter auch Gift­pflanzen (Hexen­kräuter) Ver­wendung, wie etwa Bilsen­kraut (Hyoscyamus niger), das Alkaloide der Atropin-Gruppe enthält und auch ein hervor­ragendes Kon­servierungs­mittel ist. In der Neuzeit kam man von solchen Zusätzen wieder ab, da die verbesserte Hygiene bei der Herstellung sie weitgehend überflüssig machte. Gagel besitzt (wenn überhaupt) nur milde psychoaktive Eigenschaften und ist erheblich weniger gefährlich als Bilsenkraut.

Myrica gale: Männliche Gagelblüte
Männliche Gagelblüten
Myrica gale: Gagelfrüchte
Unreife Gagelfrüchte

Die gruit eines Brauers im 16. und 17. Jahr­hundert ent­hielt eine breite Palette an Pflanzen: Teure asiati­sche Gewürze für die, die es sich leisten können (Ingwer, Gewürz­nelken, Galgant, Zimt, Muskat und sogar indische Lorbeer­blätter), bil­ligere Importe (Paradies­körner, Koriander, Süß­holz) und ein­heimi­sche Kräuter für weniger finanz­starke Kunden (Fenchel, Pfeffer­minze, Wacholder, Rosmarin und Gagel).

Hopfen besitzt überragende Konservierungs­eigenschaften, die ein Bier lange haltbar machen; aber der wilde Hopfen schmeckt sehr bitter. Als jedoch im 18. Jahrhundert neue, weniger bittere Hopfen­sorten (Abbot) gezüchtet wurden, setzten sich diese rasch gegen die alten Kräuter durch.

Bierspeziali­täten mit Ge­würzen statt Hopfen werden heute kaum noch kom­merziell her­gestellt, da den Bier­trinkern bei­gebracht wurde, Bier mit Hopfen zu as­sozi­ieren (vgl. auch das deutsche Reinheits­gebot von 1516); aber das Bier­brauen daheim erfreut sich wieder stei­gender Beliebt­heit, nicht nur unter Mittel­alter-Freaks. Unter heutigen Heim­brauern sind Orangen­schale (besonders von der karibischen curação-Orange), Vanille und Cardamom beliebte Alter­nativen zu Hopfen. Der­artige selbst­gebraute Biere entstehen alle durch Fermentation von Malz mit Hefe und dürfen daher nicht mit gesüßten Kräuter­extrakten vom Typ des root beer (siehe Sassafras) oder ginger ale (siehe Ingwer) gleich­gestellt werden!



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